Mobilität: Die Schönwetter-Hauptstadt
Als Umwelthauptstadt 2011 will Hamburg seinen Radverkehrsanteil kräftig erhöhen. Doch der Winterdienst behandelt Fahrradfahrer nach wie vor stiefmütterlich.
Die gute Absicht lässt sich auf einer Karte im Internet ablesen: Ein Stadtplan auf der Website der Stadtentwicklungsbehörde zeigt, welche Radwege, Radfahrstreifen und Velorouten im Winter geräumt werden sollen. Mit der praktischen Umsetzung jedoch hapert es: "In den letzten Tagen war nicht ein einziger Radweg oder Radfahrstreifen dieser Kerngebietskarte geräumt, an dem ich vorbeikam", sagt der Radverkehrsexperte und ehemalige ADFC-Sprecher Stefan Warda.
Wer mit dem Fahrrad durch das verschneite Hamburg fährt, ist einem Wechselbad ausgesetzt. Geräumte und gestreute Gehsteige wechseln sich ab mit knöcheltiefen Schneefeldern, auf denen das Fahrrad ins Schlingern kommt. Radwege sind so gut wie nie geräumt. "Radfahrer, die sich nicht abschrecken lassen, fahren fast ausnahmslos auf dem mehr oder weniger gut geräumten Gehweg und behindern Fußgänger", sagt Warda.
Weder an Magistralen wie der Ludwig-Erhard-Straße, dem Doormannsweg oder der Holstenstraße noch auf den Velorouten zwei und drei seien die Radwege in den letzten Tagen geräumt gewesen. Das Gleiche lässt sich von der Stresemannstraße und der parallel verlaufenden Veloroute eins sagen.
Doch aus Sicht der zuständigen Behörden sieht die Realität ganz anders aus. "Die Stadtreinigung räumt in diesem Winter erstmalig auch zentrale Fahrradrouten", verkündet die Stadtentwicklungsbehörde auf ihrer Website. Die Veloroute drei und 180 Kilometer Radwege würden geräumt, versichert auch Behördensprecherin Helma Krstanoski. Bei Radwegen sei nicht so leicht zu erkennen, dass sie geräumt seien, wie bei Straßen. Weil auf den Wegen kein Salz gestreut werden dürfe, bleibe immer etwas Schnee liegen und sobald es leicht schneie, wirkten die Wege ungeräumt. Auf den Straßen dagegen zerdrückten die Autos den restlichen Schnee. Wo wann geräumt wurde, sei protokolliert. Für Beschwerden gebe es eine Hotline der Stadtreinigung.
Der von der Stadt genannte Radverkehrsanteil von 12,5 Prozent müsse nach unten korrigiert werden, sagt ADFC-Sprecher Warda. Schließlich habe der Radverkehrsanteil 2010 vier Monate lang bei vielleicht einem Prozent gelegen. In seiner Bewerbung für den Umwelthauptstadt-Titel hat der Senat versprochen, den Radverkehrsanteil auf 18 Prozent zu steigern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus