Mobbing an Schulen: Täter, Opfer, Möglichmacher
Berliner Schüler*innen setzen sich bei einem Workshop mit Hintergründen von Diskriminierung auseinander und entwickeln Strategien gegen Mobbing.
Der vermeintliche Selbstmord einer Berliner Grundschülerin im Januar schlug hohe Wellen: Sie sei in der Schule gemobbt worden und zu lange sei nicht eingegriffen worden, lauteten die Vorwürfe. An diesem Montag kündigte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) an, die Mobbing-Meldepflicht für Schulen zu überarbeiten und eine neue Kategorie zur Erfassung von Cyber-Mobbing einzuführen.
Der Verein Aktion Courage beschäftigt sich schon lange mit dem Thema und veranstaltete am Dienstag in den Räumen der Landeszentrale für politische Bildung in der Hardenbergstraße eine Werkstatt, um „Instrumente gegen Mobbing zu entwickeln“, wie Sanem Kleff, Leiterin der Bundeskoordination von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, erklärt.
Insgesamt 80 Schüler*innen von rund 15 Berliner Schulen nehmen teil. In einem Raum legt Workshopleiterin Birgit Krug Fotos aus. Sie zeigen DJanes, Transgender, People of Color oder Straßenkunst des bekannten Graffitikünstlers Banksy.
„Girlpower“
„Das ist Girlpower“, sagt eine Schülerin beim Betrachten des Fotos einer Bodybuilderin, die ihren Bizeps anspannt. Im Raum sitzen 16 Schülerinnen, alle zwischen 12 und 15 Jahren alt. Sie sprechen darüber, welche Bilder sie in ihren Köpfen haben und wie diese Diskriminierung auslösen können.
Wie lassen sich Diskriminierungen erkennen und verhindern, ist die Leitfrage in einem Strategie-Workshop, den Rafael Rickfelder und Funda Cabral Semedo anbieten. Gemeinsam definieren sie die an Mobbing beteiligten Akteure: Es gebe immer Täter, Opfer und Möglichmacher. Rickfelder erinnert sich an seine eigene Schulzeit: „Da war ich auch Möglichmacher: Ich habe nichts aktiv gemacht, aber ich habe auch nichts unternommen, um Mobbing zu beenden.“ Er habe Mobbing eher als willkommene Abwechslung im Schulalltag empfunden – und dabei hätte er die Situation auch ausgenutzt, um den eigenen Status aufzubessern.
Was hätte Rickfelder stattdessen tun können? „Bildet eine Gruppe mit dem Täter und den Mitläufern. Gemeinsam überlegt ihr, was getan werden muss, damit sich das Mobbingopfer in der Klasse wieder wohlfühlt“, sagt Cabral Semedo. Was sich erst mal absurd anhört, ist eine bekannte Methode in der Bewältigung von Mobbing. Bei dem „No Blame Approach“ („Keine Schuldzuweisung“) geht es nicht darum, Täter*innen zu beschuldigen, sondern das Opfer zu unterstützen und zu reintegrieren. „Klappt in 95 Prozent der Fälle“, versichert Cabral Semedo.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott