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Mitternachts-kunstsuppe

■ Das Junge Theater steigt in die Open-Stage-Branche ein: Am Samstag feierte die neue Nachtshow Premiere

„Hallooho, herzlich willkommen im Gate Forty Eight“, flötet Schauspielerin Anja Wedig, wippt mit ihrem Spankörbchen, preist Karlsbergdosen an und kassiert das Eintrittsgeld. Einen Pfennig kostet die Karte für die Samstag-Nacht-Show des Jungen Theaters im Güterbahnhof. „Am liebsten bitte passend zahlen“, denn Einpfennigstücke bringen Glück. Auf der Bühne sitzt schon das Hamburger Grunge-Duo Torn und spielt schmeichelnde Gitarren-Grunge. Im Hintergrund blinkt eine hektische Skyline-Kulisse.

Es ist gemütlich. Angenehmes Dämmerlicht, ja sogar ein Sofa zum Versinken und genüsslich Suppe schlürfen. Nicht umsonst hat das Team des Jungen Theaters der neuen samstäglichen Show Gate Forty Eight auch den Untertitel „Kunst und Suppe um Mitternacht“ gegeben. Das Konzept ist schlicht: Jeder, der Lust und auch ein biss-chen Talent hat, kann sich melden und dann Schräges, Normales, Musikalisches, Poetisches oder was auch immer zum Besten geben.

Torn sind ein voller Erfolg. Gute Stimme, gute Gitarre und das Publikum schmollt, als Moderator Denis Fischer den nächsten Programmpunkt ankündigt. Der Torn-Sänger holt sich erst einmal eine Suppe. An der Reihe ist jetzt Mateng Pollkläsener, auch bekannt durch die Stücke des Jungen Theaters. Probleme mit dem Mikrofon, der richtigen Sitzposition und Stuhlhöhe und dann beginnt er zu erzählen. Dass er das Buch „Private Parts“ von Howard Stern neu entdeckt hat. Dass er es kennen und lieben gelernt hat. Dass Howard Stern selbst ja ein total verrückter Radiomoderator sei. Und dass er jetzt eine Kurzgeschichte über den Einstieg einer Frau ins Lesbentum vorlesen möchte. Von der Theke kreischt Anja Wedig „Happy Minute“. Jede Dose Karlsberg kostet in den nächsten 15 Minuten 50 Pfennige. Dann liest Pollkläsener. Die Geschichte ist ziemlich schlüpfrig, die Kurzlesung kommt an, nicht zuletzt wegen seiner erotischen Stimme.

Anders als die Animationsversuche von Denis Fischer im Cowboylook. Sein Truckerlied mag keiner weiterdichten. Das Publikum rührt sich nicht. Nach dreimaligem Bitten erbarmt sich der Gitarrist von Torn, haucht eine Truckerstrophe ins Mikrofon und gewinnt einen „Truckerfreund“-Aufnäher. Auch die Wohnungen in der Blinke-Skyline will keiner kaufen und damit dem Jungen Theater eine kleine Spende machen. Nur der Sänger von Torn stellt seine Suppe ab und kauft sich für fünf Mark eine Kel-lerklitsche. Naja, das Ganze muss ja erst einmal langsam anlaufen.

Denis Fischer versucht nicht, den zweiten „Truckerfreund“-Aufnäher und andere Wohnungen an den Mann zu bringen. Dafür spotzt jetzt Andrea Liebezeit mit Gitarrenbegleitung den Hair-Hit „Frank Mills“ ins Mikrofon. Irgendwie nett. Noch ein paar Sprüche vom Moderator, bis Torn ihre Suppe aufgegessen haben und dann dürfen die Hamburger noch drei Lieder zum Abschluss spielen. Wunderbar. So in Gedanken schwelgend möchte man immer einen Abend ausklingen lassen. Alle sind gespannt, was am nächsten Samstag kommt. Susanne Polig

Die Nachtshow Gate Forty Eight mit Denis Fischer gibt's ab jetzt jeden Samstag ab Mitternacht im Güterbahnhof. Interessierte Künstler können sich beim Jungen Theater unter Tel.: 700-141 Tel.: melden.

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