Mitte und Rand: An Ausfall-straßen
SOUNDTRACK
von ALEXANDER DIEHL
Besucher von außerhalb wundert es schon mal, auf wie wenig Platz sich das Ausgehgeschehen ballt an Alster und Elbe – wobei, da sind wir ja auch schon mittendrin: Geht man aus in der angeblich schönsten Stadt der Welt, dann tut man das traditionell eher in Elb- als in Alsternähe. Die Musik spielt auf St. Pauli. Diese Regel hat ihre Ausnahmen, aber was ist denn noch in Ottensen los, bitteschön, wenn sie irgendwann die Fabrik weggentrifiziert haben? Was in Winterhude, falls Kampnagel mal fällt? Eben.
Tapfer abseits lag und liegt das Birdland: in der Gärtnerstraße, also im Wohngebiet, sieht man ab vom Ring 2, an dem man sich als Nichtmotorisierter schon mal fühlen kann wie an einer echten Ausfallstraße. Fast 30 Jahre lang begrüßte das Ehepaar Reichert etliche Größen des Jazz; nicht frühschoppenmäßig doofer, auch kein ganz freier, sondern anständiger irgendwo dazwischen.
2013 machten sie den Laden dicht, aber schon 2014 gab es ihn dann wieder: betrieben von den Söhnen Ralph und Wolff Reichert, selbst Jazz-Musiker. Vor allem aber hatte das Birdland nun ein neues Konzept: Teile des Programms verantworten seither Julius Horn und Julian Jasper, und die haben mit dem „Freundlich + Kompetent“ ja so ihre Erfahrungen mit relativer Randlage: Eine ganze Weile lang saßen sie in Winterhude, nicht weit vom Kampnagel-Gelände, inzwischen aber an der Hamburger Straße – noch so eine mehrspurige Menschenfeindin.
Es geht es hier aber nicht um Verkehrsplanung sondern darum, dass der Jazz an der Gärtnerstraße seither ein paar Spielkameraden an die Seite bekommen hat. Manchmal ist so ein Pop-Abend ausdrücklich als „F + K präsentiert“ gelabelt, aber auch, wenn das nicht so ist, etwa bei den schmissigen Klezmervögeln Mames Babegenush aus Kopenhagen (Fr, 5. 10.), ist klar: Hier könnte ein Laden eine Kurve gekriegt haben in Richtung frisches Publikum. Und irgendwann, wenn erst das Verbrennungsmotorenzeitalter vorbei ist, ist ja auch die Straße nicht mehr ganz so laut.
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