: Mit vollen Hosen ist schlecht spielen
Spandau 04 ist in der Wasserball-Champions-League gegen den italienischen Meister aus Genua chancenlos – und beneidet nach der 5:10-Niederlage den Gast um seine Popularität und einen Stiernacken
Wenn Alessandro Calcaterra seinen Kopf in den Nacken legt, bildet sich ein gewaltiger Wulst zwischen Haupt und Rücken. Doch nicht nur der Stiernacken, der dem des jungen Mike Tyson in nichts nachsteht, erinnert an einen Bullen. Der ganze Kerl ist eine Wucht. Und doch fällt er durch sein Äußeres nicht weiter auf, wenn er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht.
Calcaterra ist Wasserballer. Und kein schlechter. Der Italiener war einer der Hauptverantwortlichen für den klaren 10:5-Sieg von Pro Recco Genua im Champions-League-Match bei den Wasserfreunden. Der Center steuerte vier Tore bei. Während die Italiener die Bälle Richtung Berliner Tor knallten, dass es nur so rauschte, trauten sich die Berliner nur ein paar harmlose Würfe zu. „Wir hatten richtig die Hosen voll“, analysierte Mannschaftskapitän Patrick Weissinger. Der war mit zwei Treffern noch der Beste seines Teams.
Ein Blick in die Schwimmhalle Schöneberg genügte, um zu erahnen, wo der Unterschied zwischen den Wasserballstandorten Deutschland und Italien liegt. Mehrere italienische Journalisten säumten den Beckenrand, in jeder Viertelpause wurde die Mannschaft von zwei Fotografen belagert. Ein regionaler Fernsehsender war mit zwei Kameras angereist. In Berlin hat zwar das selbst ernannte Metropolenfernsehen FAB die Begegnung zeitversetzt übertragen und der SFB zeigte einen Kurzbericht, aber dass einer der Berliner Medienvertreter zum Rückspiel nach Genua reisen wird, ist unwahrscheinlich. „Das ist ein Klassenunterschied“, meinte Kapitän Weissinger beinahe resigniert. Er spielte nicht nur auf die einseitige Begegnung an, sondern eben auch auf das Umfeld der Vereine.
Immerhin waren mehr als 500 Zuschauer zum ersten Heimspiel in der laufenden Champions-League-Saison gekommen. Doch damit ist das Potenzial der Spandauer fast schon ausgeschöpft. Um noch mehr Aufmerksamkeit zu erlangen, müssten die Wasserfreunde an die Erfolge der 80er-Jahre anknüpfen, in denen sie viermal den Europapokal der Landesmeister gewinnen konnten. Damals hatten die Spandauer auch überregionale Bedeutung.
Einer wie Peter Röhle, damals Torwart, war einmal eine hierzulande recht bekannte Sportpersönlichkeit. Jetzt ist er Trainer einer Mannschaft, die gespickt ist mit deutschen Nationalspielern, deren Namen aber nur noch wahren Wasserballexperten ein Begriff ist. Woran liegt’s? Das Halten, Tauchen und Raufen im und unter Wasser ist durchaus faszinierend. Dass ein Mann wie Alessandro Calcaterra einfach nicht untergeht, obwohl sein Gegenspieler ihn nach Kräften unter die Wasseroberfläche zu drücken versucht, ist sogar schlichtweg phänomenal.
Gottlob spielt nicht in jeder Mannschaft ein derartiger Wasser-Stier. Und so haben die Berliner immer noch alle Chancen auf das Erreichen des Final-Four-Turniers. Die ausstehenden Heimspiele gegen Barcelona und Belgrad müssen gewonnen werden. Eine allgemein gültige Weisheit gilt allerdings auch und speziell für Waserball: Mit vollen Hosen ist schlecht gewinnen.
ANDREAS RÜTTENAUER