Mit verführerischen Geliebten: Paradies für Genießerinnen
Wellenreiten, edler Rotwein und endlose Sandstrände: Die französische Atlantikküste zwischen Bordeaux und Biarritz bietet alles, was das Frauenherz begehrt - inklusive der größten Sanddüne Europas, netten Cafés und aufregenden Bars in den großen Städten
"Paris war eine Frau" titelte ein Buch von Andrea Weiss vor elf Jahren. Wenn Paris eine Frau war, dann ist die südfranzösische Atlantikküste eine Lesbe. Mit verführerischen Geliebten: eine riesige Düne, romantische Altstädte, duftende Pinien und schäumende Wellen schmiegen sich an einen 300 Kilometer langen Sandstrand. Heimat dieser besonderen Liaison ist die Region Aquitanien mit der Hauptstadt Bordeaux. Hier kann man sich noch einmal kopfüber in die Nacht stürzen, bevor es am Meer entlang Richtung Süden nach Biarritz geht.
Auch in Frankreich spielt sich das Szeneleben in der Großstadt ab. Und selbst hier muss man es oft mit der Lupe suchen. Während die schwule Flaniermeile Quai de Chartrons nördlich vom Zentrum direkt am Ufer der Garonne liegt, pilgern die Lesben in den südlichen Stadtteil Bègles. Das LS Café am Boulevard Albert 1er zieht mit seinen "Soirées" genannten Partys jede Menge hübsche Frauen an. Aber Vorsicht: Die Französinnen haben die Angewohnheit, ihre Bars nur Mittwoch bis Sonntag zwischen 20 und 2 Uhr zu öffnen. Tagsüber informiert das Maison des Femmes am Place du Palais über Kulturveranstaltungen und alles, was das Frauenherz begehrt.
Liberté, Egalité, Diversité?
Auch abseits von dunklen Clubs und Museen sind in Bordeaux Lesben anzutreffen - etwa in einer der unzähligen Winzereien. Wie eine Insel liegt die Stadt in einem Meer von Rebenfeldern. Sie bilden das größte zusammenhängende Qualitätswein-Anbaugebiet der Welt. Den schweren roten Tropfen kosten kann man zum Beispiel im Château Belles-Graves. Das Gut ist eingetragenes Mitglied bei Gay Provence, einem 1999 gegründeten Netzwerk für homofreundliche Tourismusanbieter. "Wir haben eine verbindliche Charta entwickelt, die Gästen Qualität und Zuverlässigkeit garantiert", sagte Vereinspräsidentin Catherine Rouland dem Lesbenmagazin L.mag.
Christopher Street Day: Eine perfekte Gelegenheit für einen spontanen Städtetrip bieten die sommerlichen Pride-Paraden mit großem lesbischen Zulauf. Die politischen Demonstrationen gegen Homophobie haben sich inzwischen zu großen Open-Air-Partys entwickelt. Es muss nicht immer London oder Berlin sein, Links zu allen Paraden gibt es unter www.gay-web.de/csd
Frauen-Lesben-Sommercamp am Stocksee: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Vom 31. August bis zum 7. September kann frau in Schleswig-Holstein die Seele baumeln lassen und an zahlreichen Workshops teilnehmen. www.kikmedia.w4w.net/sommercamp
Cruising Queens: Die Frankfurter Partyveranstalterin Claudia Bubenheim hat sich einen Traum erfüllt. Am 26. Mai 2008 sticht in Barcelona die "MS Pacific" zur ersten lesbischen Kreuzfahrt in See. Das Schiff mit zwei Pooldecks und 600 Schlafplätzen steuert in acht Tagen Rom, Monaco, Korsika und Ibiza an. Kabinen gibt es ab 1.000 Euro, Ratenzahlung möglich. www.xtremeties-travel.de
Gay Snowhappening: Wo sind die Lesben, wenn im österreichischen Sölden die Regenbogenfahnen wehen? Vom 29. März bis zum 5. April 2008 steigt wieder Europas bekannteste schwul-lesbische Ski-Woche mit internationalen Gästen. Mehr Frauen erwünscht! Günstige Übernachtungspakete gibt es unter www.soelden.com
Inzwischen wirbt Gay Provence weit über die Lavendelregion hinaus für Toleranz. Obwohl Lesben in Frankreich grundsätzlich entspannt urlauben können, ist das auch immer noch erforderlich. Nach Angaben der Organisation SOS Homophobie gingen im letzten Jahr über 1.000 Notrufe bei ihnen ein - zu 20 Prozent von Frauen. In Sachen Akzeptanz ist die "Île-de-France" Paris tatsächlich eine rettende Insel: 60 Prozent aller Diskriminierungsopfer meldeten sich aus der Provinz. Umso besser, dass es auch hier eine übersichtliche schwul-lesbische Infrastruktur gibt.
Verlässt man Bordeaux in Richtung Meer, stößt man zunächst auf ein beliebtes Ausflugsziel bei Stadtbewohnern und Atlantiktouristen: die Dune du Pyla bei Arcachon. Mit über 100 Meter Höhe und drei Kilometer Länge ist sie die größte Sanddüne Europas und bietet einen fantastischen Ausblick auf Austernzuchtstationen und endlose Wälder. Wer nicht auf einem der vielen dort gelegenen Campingplätze übernachten möchte, wird im nahen Dorf Gujan Mestras fündig. Hier liegt das Minerve, eine gemütliche schwul-lesbische Frühstückspension mit Garten. Strandgänger finden in Aquitanien außerdem unzählige FKK-Zonen vor, unter anderem den Plage de la Lagune am südlichen Fuß der Düne, einen beliebten Schwulentreffpunkt.
Als weitere Station auf dem Weg nach Süden empfiehlt sich Mimizan. Dieser 10.000-Seelen-Ort liegt genau in der Mitte zwischen Bordeaux und Biarritz, jeweils 100 Kilometer entfernt. Im Rathaus von Mimizan sitzt die Organisation Entre Nous. Sie gibt nicht nur Ausgehtipps, sondern veranstaltet seit 2006 auch die Festidays, ein Festival, das Homosexuelle aus der Region sichtbar machen möchte.
Surfen und "L Word" gucken
Höhepunkt der Küstentour ist die baskische Stadt Biarritz an der spanischen Grenze. Schon Kaiser Napoleon III. und seine Frau Eugénie verbrachten hier ihre Ferien. Mitten im mondänen Biarritz-Publikum feiern heute auch viele Schwule und Lesben: nur wenige Gehminuten von der Strandpromenade in der Chrome Lounge, bei Partys zur TV-Serie "The L Word". Oder am Kicker- und Billardtisch in der Bar LExcuse. Vor allem bei Wellenreitern ist das charmante Seebad mit den zerklüfteten Felsen beliebt. Hollywood-Regisseur Peter Viertel brachte die Surfwelle hier 1955 nach Europa - bei Dreharbeiten zum Hemingway-Klassiker "Fiesta" beeindruckte er die Einheimischen mit seinem Board aus Kalifornien.
Ein Blick auf die Online-Kontaktbörse Lesarion zeigt, dass auch Lesben den Trendsport für sich entdeckt haben. Hier gibt es neben der Gruppe "Vive la France" auch die "Surfgirls": Gesucht sind "relaxte Mädels, die einen Abend am Lagerfeuer einer stickigen Disconacht vorziehen".
Ein Mitglied ist Stephanie Bräuer aus Düsseldorf. Im Urlaub auf Sapphos Spuren die Insel Lesbos erkunden, das ist nichts für sie. "Surfen gibt einem ein absolutes Freiheitsgefühl", sagt die 33-Jährige. "Wenn man auf dem Brett steht, fühlt man sich im Einklang mit dem Leben." Jeden Sommer fährt sie mit ihrer Freundin nach Biarritz. Die Nächte verbringen sie im Nachbarort Anglet: Der homofreundliche Zeltplatz Fontaine Laborde ist günstig und ein Magnet für junge Reisende aus aller Welt.
Ganz unter Gleichgesinnten bleiben kann man im Frauenlandhaus Mondès. Das Stammziel des Berliner Reiseveranstalters "Frauen unterwegs" liegt nur zwei Autostunden vom Meer entfernt in der Gascogne, deren Küche als die beste Frankreichs gilt. Hier treffen sich Naturfreundinnen, um zu Wander- und Radtouren in die nahen Pyrenäen aufzubrechen. Oder sie liegen inmitten von acht Hektar Wiesen am Badesee und lesen bei Andrea Weiss die Abenteuer von Gertrude Stein, Alice B. Toklas und ihren berühmten Kolleginnen nach.
Wer wissen möchte, ob die schöne französische Metropole immer noch eine Frau ist, nimmt auf dem Rückweg einfach die Ausfahrt "Paris".
Frankreich-Tipps
Adressen und deutschsprachige Reise-Infos weit über die Côte d'Azur hinaus: www.gay-provence.org
Frauenlandhaus Mondès in Courrensan, 120 km von Toulouse entfernt, für Lesben und Heterafrauen. Auch das Alter ist bunt gemischt - von etwa Anfang 30 bis Mitte 60. Ideal als Ausgangspunkt für ausgedehnte Fahrradtouren: mondesfrauenlandhaus.com
Diverse Gruppenreisen-Angebote wie "Südwestfrankreich für Frauen ab 50": www.frauenunterwegs.de
In den groups zum Stichwort "Reise" gibt es einen regen Austausch zu vielen Regionen. Auch Reisepartnerinnen kann man hier finden: www.lesarion.de
Die britische Billig-Airline Ryan Air fliegt schon für 10 Euro von Frankfurt (Hahn) nach Biarritz: www.ryanair.com
Surfcamp nur für Frauen, vom 15. bis 22. September in Portugal. Eine Woche mit Unterricht und Wellness kostet 549 Euro: www.surfing-algarve.com
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