: Mit leichtem Gepäck
Postrock-, Avantgarde- und Indie-Geschichte: David Grubbs im Pudel ■ Von Alexander Diehl
Vor einigen Jahren erinnerte sich Sonic Youths Thurston Moore in einem Interview an seine erste Begenung mit David Grubbs. Mitte der 80er Jahre waren Sonic Youth mit Grubbs' damaliger Band Squirrel Bait auf Tour, und Moore befand, Grubbs sei ein „rotziger Punkrocker“. Inzwischen hat Moore allerlei Lehren vom reinen Indie-Rock abgeschworen, und Grubbs fräst sich ebenfalls längst nicht mehr als Gitarrist durch hochgetakteten Krachcore. Auf dem Feld freier Improvisation dürften sich beide wieder begegnet sein, zwischen subventionierten Festivals und hoch ambitionierten Kleinlabels.
Teile von Squirrel Bait wurden seinerzeit zur stilbildendsten Band, die je Louisville, Kentucky, verließ: Slint, deren skelettierter Emo-Core Heerscharen von Bands beeinflusste. Für Grubbs folgte Bastro, eine Proto-Supergroup des später Post-Rock Genannten: Neben ihm waren John McEntire und Bundy K. Brown beteiligt; aus Bas-tro wurde Anfang der 90er Gastr del Sol, die McEntire und Brownbald bald darauf verließen, um sich zukünftig ihrem Projekt Tortoise zu widmen (und auf weiteren Hochzeiten, darunter The Sea and Cake, zu tanzen). Dafür stieg Improvisateur und Studiobastler Jim O'Rourke ein, und eine Zeit lang waren er und Grubbs eine Art Avant-Dream Team und gehörten zum Interessantesten, was aus der Katerstimmung vieler Indie-Ro-cker nach Grunge erwuchs: Die Verzerrung beiseite lassend, widmeten sich Gastr del Sol den Möglichkeiten akustischer Instrumente und elektronischer Störgeräusche, verwoben Musique Concrète mit luftigem Art Rock und betrieben fundierte Forschung und Pflege der Avantgarde. Darüberhinaus spielten beide die 90er hindurch bei Red Krayola, jener seit Mitte der 60er mal mehr, mal weniger existenten Art School-Psychedelic-Formation um das einzige stetige Mitglied, Gründer Mayo Thompson.
Ende 1997 verließ O'Rourke Gastr del Sol, was vorerst deren Ende bedeutete. Seitdem, so schien es bisweilen, suchten beide Ex-Partner sich mit ihren Solo-Aktivitäten zu überbieten. Beide ließen sich nach langer Abstinenz wieder auf den „normalen“ Song ein, ohne sich dabei auf gar zu wohlfeilen Rezepturen auszuruhen. Grubbs legte mehrere schöne Platten zwischen Post-Rock, Rootsrock und Exotika zitierender Zurückgelehntheit, kargem Minimalismus und weit ausladender Pop-Geste vor. Sie firmierten unter seinem Namen, waren teils aber wiederum mit den üblichen Verdächtigen und früheren Mitstreitern eingespielt worden. Dozentenstellen an Universität und Kunsthochschule kamen und gingen, und seit einiger Zeit bezeichnet er sich als Vollzeitmusiker. So konnte man ihn in den letzten Jahren unverhofft auf einschlägigen Festivals oder in ganz und gar nicht einschlägigen Clubs auf dem flachen Lande antreffen, mit akustischer Gitarre, tragbarem CD-Player und leichtem Gepäck.
Schön ist, dass der reisefreudigen Tausendsassa, der bei Gelegenheit auch schon mal Aufsätze zur bildenden Kunst schreibt, an einer Abschlussarbeit über die interdisziplinären Auswirkungen John Cage arbeitet, leidenschaftlicher Kinogänger ist und den man mit gutem Kaffee zu einem Besuch überreden kann, jetzt endlich wieder einmal in Hamburg gastiert.
mit Candy Jane: Sonnabend, 21 Uhr, Pudel Klub
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