piwik no script img

■ Mit gutem Beispiel voranWie Hipstedt seine Tamilen schützt

Hipstedt ist eine 1.200-Seelen-Gemeinde vor den Toren Bremens im Landkreis Rotenburg/Wümme. Seit kurzem gehen dort rund 180 Bürger nachts freiwillig Streife. Sie wollen „ihre Tamilen“ vor weiteren Anschlägen schützen. „Keiner von uns hat im Leben daran gedacht, daß das hier einmal passieren würde. Es war doch eine richtige Harmonie da“, sagt Karlheinz Poredda. Der Mann, der noch immer ungläubig über ausländerfeindliche Akte in seinem unmittelbaren Lebensbereich redet, ist Bürgermeister in Hipstedt.

Zu den Einwohnern seiner Gemeinde gehören seit rund zehn Jahren vier tamilische Flüchtlingsfamilien. „Trotz ihres anderen Glaubens und ihrer andersartigen Erscheinung“ seien sie in Hipstedt integriert, meint Poredda und zu allen Straßenfesten eingeladen worden. „Wir haben sie zu öffentlichen Veranstaltungen mitgenommen. Die Bevölkerung hier kennt sie alle mit Namen, und die Kinder sprechen perfekt deutsch.“

Die Harmonie der Gemeinde drohte aus den Fugen zu geraten, als einer oder mehrere Unbekannte im November zwei Autos der Tamilen in Brand steckte und zerstörte. Der erste Brandanschlag ereignete sich in der Nacht zum 21., der zweite in der Nacht zum 27. November. Seitdem leben die Tamilen in Hipstedt in Angst.

Für viele Hipstedter waren die Anschläge hinterhältige ausländerfeindliche Akte. Poredda mochte das zunächst nicht so recht glauben. „Das waren vielleicht Frust-Taten. Keine organisierte Handlung“. Aber dan grübelte auch Bürgermeister Poredda darüber nach, ob nicht doch Ausländerfeindlichkeit dahinter steckt. Denn der dritte Brandsatz, ebenfalls am 27.11. gelegt, galt ihm selbst. Sein Schuppen hinter'm Haus ging in Flammen auf.

Poredda ist bekannt als hilfreiche Seele für alle Ausländer im Ort. Er hilft ihnen beim Ausfüllen von Formularen und begleitet sie bei Behördengängen. „Warum soll ich diesen Menschen nicht helfen?“ fragt der Bürgermeister. „Wer einmal seine Heimat verloren hat und in der Fremde leben mußte, der weiß, wie schwer das ist.“ Als Flüchtling im Zweiten Weltkrieg weiß der gebürtige Ostpreuße wovon er spricht.

Vor kurzem gab es in Hipstedt eine Bürgerversammlung, an der auch die Tamilen teilnahmen. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Erst schilderten die Tamilen ihre Ängste und ihre Betroffenheit. Dann beschloß die Versammlung, „ihre Tamilen“ zu schützen. Seitdem gehen die Freiwilligen Streife. Auch die Polizei ist mit Streifenwagen präsent. Anschläge gab es seitdem nicht mehr.

Gert Simberger/ dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen