■ Mit europäischen Agrarpreisen auf du und du: Jährliches Ritual
Berlin (taz) – Das Korn steht, das Vieh hat teures Futter gefressen. Die europäischen Landwirtschaftsminister jedoch lassen sich Zeit. Einmal im Jahr treffen sie sich zum Ritual der Agrarpreissitzungen. Wochenlang feilschen sie darum, was die Investitionen den Bauern einbringen dürfen. Böses Erwachen ist danach die Regel, auch auf seiten der Minister, die den Rest des Jahres damit beschäftigt sind, den Zorn ihrer Bauernverbände zu besänftigen.
Das aber fällt meistens schon deswegen schwer, weil auch die Agrarpolitiker selbst nicht immer verstehen, was sie eigentlich beschlossen haben. Von „Preisen“ ist in der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ der EU nur in mißverständlichem Sinne die Rede. Es handelt sich um Subventionen für festgelegte Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Heute nacht, so hofft man in Europas Bauernhöfen, wird es in Brüssel wieder soweit sein. Umstritten sind unter den zwölf Mitgliedsländern seit Frühjahr die Preisregelungen für Getreide, Butter, Rindfleisch und – neu – Kartoffelstärke. Für alle diese Produkte hat die EU- Kommission Vorschläge erarbeitet. Verhältnismäßig durchsichtig ist der Getreidestreit: Die vor zwei Jahren beschlossene Agrarreform sieht vor, die europäischen Erzeugerpreise schrittweise wenigstens in die Nähe des Weltmarktniveaus abzusenken. Über den in diesem Jahr fälligen Abschlag hinaus empfiehlt die Kommission nun noch eine Kürzung der staatlichen Beihilfen für die Lagerkosten unverkäuflichen Getreides – die Deutschen sind dagegen.
Auch den Mindestpreis für Butter möchte die Kommission senken – die Deutschen möchten lieber die Menge reduzieren, die von jedem EU-Land produziert werden darf – zu gleichbleibend hohen Preisen. Italien dagegen möchte eben diese Quote für sich selber erhöhen. Der „Prämie“ genannte Garantiepreis für Rindfleisch wird bisher in zwei Raten gezahlt: bei der Geburt des Kalbes und nach einer Mastfrist, die aber von intensiv wirtschaftenden Betrieben locker unterboten wird. Die Kommission möchte diese High-Tech- Bremse streichen, nur einmal pro Rindvieh zahlen und zugleich die Gesamtsumme der Subvention drücken – die Deutschen sind dagegen. Beim Kartoffelmehl hingegen wären sie mit der Kommission dafür, einen neuen Garantiepreis für eine Höchstmenge dieses Produkts einzuführen. Nur sollten ihrer Meinung nach die ostdeutschen Bauern besser berücksichtigt werden, die mächtig in diesen Zweig investiert haben. Niklaus Hablützel
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