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■ Mit deutschen GmbH auf du und duGeheimniskrämer

Freiburg (taz) – Alles andere als eine Verurteilung der Bundesrepublik wäre eine Überraschung: Die EU-Kommission hat Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verklagt, weil 93 Prozent der hiesigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) ihre Jahresabschlüsse nicht veröffentlichen. Dies werde von der deutschen Regierung gedeckt.

Die Publizitätspflicht besteht seit 1987 und geht auf eine EU- Richtlinie zurück. Damit wollte die EU sicherstellen, daß in allen Mitgliedsstaaten gleiche Publizitätsanforderungen bestehen. Dies nützt nicht nur GläubigerInnen, ArbeitnehmerInnen und GeschäftspartnerInnen der zur Offenheit verpflichteten Firmen. Außerdem brauchen die Firmen keine verschiedenen Abschlüsse aufzustellen, wenn sie in mehreren EU-Staaten aktiv sind.

In Deutschland allerdings betätigen sich die rund 450.000 GmbH traditionell als Geheimniskrämer. Auch die Umsetzung der EU-Richtlinie hat hieran nichts geändert. Vor allem der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) stärkt den Verweigerern den Rücken. Die Offenlegung von Bilanzen würde, so der DIHT, zu Wettbewerbsnachteilen führen. Während in Japan nur 1.500 und in den USA nur 14.000 börsennotierte Gesellschaften zur Offenlegung verpflichtet seien, müßten in Europa drei Millionen Gesellschaften ihre Zahlen präsentieren. Dies erlaube der Konkurrenz aus Übersee ein gezieltes Screening der Branchen, um diese dann planmäßig aufzurollen.

Die EU-Kommission hält dies für ein Horrorszenario und wirft der deutschen Wirtschaft vor, sich einen Vorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz zu sichern. In Ländern wie Frankreich oder Dänemark liegt die Publizitätsquote nach EU-Angaben nämlich bei respektablen 90 Prozent.

Zur Kommissionsklage gegen die Bundesrepublik kam es, weil Brüssel den Eindruck hat, die Bundesregierung decke die VerweigererInnen. Denn effektive Sanktionsmöglichkeiten gibt es hierzulande nicht. Zwar ist es möglich, gegen Dunkelfirmen ein Zwangsgeld zu verhängen. Anders als üblich kann das Registergericht hier aber nicht von sich aus handeln. Es muß vielmehr auf einen Antrag von GläubigerInnen oder dem Betriebsrat warten. Solche Anträge aber sind selten, weil die Unternehmer notfalls ihnen einen individuellen Blick in die Bücher gewähren. Kein Initiativrecht haben dagegen ausländische Konkurrenzfirmen oder mißtrauische Geschäftspartner. Mit einer Entscheidung des EU- Gerichtshofes ist in den nächsten Wochen zu rechnen. Christian Rath

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