: „Mit der Maxhütte stirbt die Region“
■ Mit Kind und Kegel marschierten 7.000 Maxhütten–Beschäftigte zum Arbeitsamt / Banken und Geschäfte waren geschlossen / IG Metall stellte alternatives Konzept für den Standort vor / Umbau unter regionalen Gesichtspunkten
Von Luitgard Koch
Sulzbach–Rosenberg (taz) - Am Friedhofsberg, wie die Rosenbergerstraße zur Altstadt von Sulzbach–Rosenberg genannt wird, ist kein Durchkommen mehr. Mit Kind und Kegel - die Frauen schieben ihre Kinderwägen über das Kopfsteinpflaster - marschieren die Arbeiter der Maxhütte in ihren grünen Monturen unter dem Motto „Wir stellen uns in die Reihe“ in Richtung Arbeitsamt. Um halb zehn Uhr morgens wurde die Maxhütte dichtgemacht. Nur die Notmannschaft blieb im Werk zurück. Auffallend in der Menge des dreikilometer langen Zuges die orangen Kittel der Beschäftigten der Stadtverwaltung. Auch sie solidarisieren sich mit den Stahlwerkern. Banken und Geschäfte sind an diesem Vormittag ebenfalls geschlossen. Mit dieser Aktion wollen die Beschäftigten der Maxhütte nochmals auf die Folgen des geplanten „Sanierungskonzept“ Maxhütte aufmerksam machen, nach dem innerhalb von fünf Jahren 3.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. 2.200 Arbeiter würden allein im Werk Sulzbach– Rosenberg entlassen werden. Um 30 Prozent ist die Arbeitslosenquote bereits von Juni 86 bis Juni 87 hochgeschnellt. Wenn das „Hayek“–Gutachten, das im Auftrag der bayerischen Regierung erstellt wurde, Wirklichkeit wird, werden es noch mehr, weiß der Betriebsratsvorsitzende Franz Kick. Doch das ist nicht alles. Nach Angaben des Betriebsrats wird ein verlorener „Maxhüttenplatz“ letztlich den Verlust von 1,7 Arbeitsplätzen in der Region nach sich ziehen. Außerdem verzeichnet die Oberpfalz seit 1972 einen Bevölkerungsschwund von über 20 Prozent. „Wenn die Maxhütte stirbt, stirbt die Region“, ruft Franz Kick bei der Kundgebung vor dem Arbeitsamt in die inzwischen auf 7.000 Menschen angewachsene Menge. „Die Regierung versteht nur noch die Sprache der Massen“. Im bayerischen Landtag jedoch gab Wirtschaftsminister Jaumann am Tag zuvor zwar zu, daß das „Hayek–Gutachten kein Dogma“ sei, gleichzeitig wurde das Konzept von CSU–Seite aber einhellig gelobt. IG Metall präsentiert Alternativ–Gutachten Aber an diesem Mittwoch wird in Sulzbach–Rosenberg nicht nur demonstriert. Im „Casino–Schlössl Maxhütte“ stellt die IG–Metall ein „Umbau– und Innovationskonzept“ des Münchner IMU–Instituts für Medienforschung und Urbanistik vor, das von der gewerkschaftseigenen Hans–Böckler– Stiftung gefördert wurde und darauf abzielt, alle Arbeitsplätze zu erhalten. Auf zwei bis drei Jahre schätzt Diplom Ingenieur Georg Richter diese Umbauphase. Die Kosten für dieses Konzept betragen nach seinen Schätzungen 400 Millionen, staatliche Subventionen auf die man dabei hofft, nicht eingerechnet. Der „autarke Umbau“ - in dieser Phase wird die Maxhütte nur mit Zuschüssen überleben können - soll vor allem unter regionalen und strukturellen Gesichtspunkten stattfinden. Das Berufsbildungszentrum und das Rohrwerk der Maxhütte sollen dabei im Gegensatz zu den anderen Konzepten erhalten bleiben. Der zu gründenden Auffanggesellschaft soll eine „Maxhütte im Umbau“ angliedert werden, die neben der Modernisierung der vorhandenen Betriebseinrichtungen Unternehmenszentren zur Innovation der Stahlprodukte und die Wiederverwendbarkeit von Schrott betreibt. Bau und Entwicklung von Umwelteinrichtungen, etwa Rauchgasreinigungsanlagen oder Katalysatoren für die Autoindustrie sind ebenfalls vorgesehen. Im „Maxhütten–Innovationszentrum“, einem neuen Tochterunternehmen, sollen Pläne zur Umschulung der Maxhütten–Beschäftigten, Möglichkeiten zu einer „zukunftsorientierten Beschäftigung“, die Ausweitung der Produktion auf Umweltschutz und eine darauf ausgerichtete Datenverarbeitung entwickelt werden. Hierzu schlagen die IMU–Gutachter die Gründung eines Fördervereins vor, an dem sich als Beirat die Kommunen, die Industrie– und Handelskammer sowie das Regensburger OTTI (Ostbayerisches Technologie– und Transferzentrum) beteiligen sollen. Für dieses Konzept erhoffen die Sprecher des IMU Fördermittel vom Bund, Freistaat und der EG. Im Detail sieht das Konzept die Gründung eines Zweckverbands „Rcycling und Altlastenbeseitigung“ durch die Kommunen und den Freistaat vor. Gerade wegen seiner Nähe zu Schrottproduzenten in den Ballungsräumen Nürnberg–Fürth–Regensburg bietet sich der Standort Sulzbach Rosenberg an. Diplom–Ingenieur Georg Richter hofft, daß dieses Konzept, das der bayerischen Staatsregierung seit 3. Juli vorliegt, doch noch in die Überlegungen miteinbezogen wird.
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