■ Mit der Europa-Gewerkschaft auf du und du: Weit weg von der Basis
Berlin (taz) – Es war nur der Ausspruch eines Zynikers, der seinen Namen auch nicht in der Zeitung lesen wollte. Aber er zeigte eines der Defizite des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB): „Ein Glück, daß es den Kosovo-Krieg gegeben hat“, sagte der Funktionär. Sonst wäre der Kongreß in Helsinki, immerhin die oberste Instanz des EGB, die nur alle vier Jahre zusammenkommt, bis zu seinem gestrigen Ende nur so dahingeplätschert.
Als die Vorsitzenden der unabhängigen serbischen Gewerkschaft Nezavisnost und der kosovarischen Gewerkschaft BSPK, Bransilav Canak und der lange verschollene Hajrulah Gorani, auftraten und die Delegierten zu konkreten Hilfeleistungen aufforderten, kam jedoch Bewegung auf. Die Strukturen im Kosovo sind seit 1990 systematisch zerschlagen worden. „Wir waren für den Dialog, aber man hat uns mißhandelt, vertrieben, getötet“, sagte Gorani. Er verließ den Kongreß mit dem Versprechen, der EGB werde im Herbst eine Konferenz zum Wiederaufbau der unabhängigen Gewerkschaften in Jugoslawien veranstalten.
Daß der Kongreß ansonsten so wenig Power entwickeln konnte, obwohl es um so wichtige Fragen wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa ging, liegt wohl weniger an der Struktur der Dachorganisation, die aus rund 60 Gewerkschaftsbünden aus 30 europäischen Ländern und 16 europäischen Branchenverbänden besteht, als vielmehr an ihrem vagen inhaltlichen Konzept. DerEGB hat dem angebotsorientierten makroökonomischen Trend in der EU wenig entgegenzusetzen. Bei seiner Lobbyarbeit bei der EU-Kommission kann er allerdings durchaus Erfolge aufweisen: Ihr ist die EU-Richtlinie von 1994 zu verdanken, die für transnationale Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten Euro-Betriebsräte vorschreibt.
Für die Gewerkschaftsbasis ist der EGB jedoch weit weg. Kein Wunder: So wurden die Kongreßdelegierten nicht auf Gewerkschaftstagen gewählt. Wer wen entsandt hat, blieb den einfachen Mitgliedern verborgen. Ursula Wöll, bw
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