■ Mit der Bankenmacht auf du und du: Privilegierte als Sieger
Hamburg (taz) – Unerklärter Sieger der Krise sind die deutschen Banken. Während unser aller Bruttosozialprodukt in gut zehn Jahren nur auf 190 Prozent wuchs, kletterten die Geldumsätze auf über 250 Prozent. Und die Großbanken spekulierten sich sogar auf über 300 Prozent hoch.
Bei ihrer Arbeit half den 3.588 konservativen Bankvorständen zum einen das urdeutche Universalbank-System, das einen Gemischtwarenladen an Finanzgeschäften erlaubt. Zum zweiten ermöglicht die juristische Sonderstellung den Banken in Deutschland ein steuersparendes Bilanzieren sowie die Bildung von Kartellen. Das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ gesteht Kredit- und Versicherungsunternehmen einen profitträchtigen Ausnahmebereich zu. Ein Beispiel dafür ist Eurocheque. Ein solches faktisches Kartell ermöglichte den Siegeszug des Girokontos: Mit struktureller Gewalt setzte die Geldindustrie gesellschaftliche Standards durch – und die Kundschaft zahlt dafür.
Einen weiteren Vorteil des rechtlichen Rahmens im Finanzsektor belegt die Pleite des Immobilien-Imperiums Schneider. Das Hypothekenbankgesetz verpflichtet (!) die Institute, „erstrangige Eintragungen“ in das Grundbuch als Kreditsicherung zu verlangen. So wurden die großen Finanzkonzerne durch die Schneider-Pleite vielfach Eigentümer von Grundstücken in nahezu unbezahlbarer Zentrallage. Kurzum: Die Banken sind aus dem Schneider.
In der Praxis von noch größerer Bedeutung für die Geldwelt ist das Steuersparen. Das Kreditwesengesetz schafft hierzu extraordinäre Möglichkeiten. Nahezu beliebig können Aktiva in stille Reserven überführt werden. Das schwächt die Aussagekraft der Bilanzen noch weiter und erlaubt den Geldinstituten außerdem die weitgehend beliebige Festsetzung der ausgewiesenen Gewinne. Das spart Steuern und, wenn gewünscht, auch die Dividenden für die Anteilseigner. Ergänzend nutzt man die modernen Finanzinstrumente „Derivate“ – Wetten auf die Zukunft. Mit ihrer Hilfe ist es möglich „jede gewünschte Bilanzstruktur darzustellen“, befindet auch das Handelsblatt.
Den Kern des Banksieges bildet freilich die Macht der Banken. Ein Phänomen mit vielen Facetten: Sie sind Gläubiger von fast zwei Millionen überschuldeten Haushalten. Und Banken haben Macht gegenüber dem selbständigen Mittelstand, der in beängstigender Kreditabhängigkeit lebt. Zu den führenden Industriekonzernen unterhalten die Großbanken besonders enge Beziehungen seit dem späten 19. Jahrhundert. Über vielfältige Geschäftsbeziehungen, eigene Aktien, die Depotstimmen ihrer Kunden und 735 personelle Verflechtungen ist insbesondere die Deutsche Bank mit den Top 100 der Industrie innig verflochten. Hermannus Pfeiffer
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