■ Mit dem argentinischen Peso auf du und du: Crisis, what crisis?
Buenos Aires (taz) – Hat er nun, oder hat er nicht? Hat Wall-Street-Gigant George Soros wirklich gesagt, der argentinische Peso sei mit seinem starren Eins-zu-eins-Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar hoffnungslos überbewertet? Und Domingo Cavallo, ehemaliger Wirtschaftsminister und Vater des Stabilitätsplans, hat er ins gleiche Horn gestoßen? Beide streiten ihre angeblichen Aussagen ab.
Fakt ist, Argentinien ist nervös. Sobald über den Stolz der Nation, den stabilen Peso, diskutiert wird, liegen die Nerven blank. Mehrere Tage hielten sich hartnäckig die Gerüchte, daß eine Abwertung bevorstünde, die Börse purzelte. Die Regierung beeilte sich hektisch, jedes Gerücht von Abwertungsdruck schnellstmöglichst zu entkräften. Crisis, what crisis?
Innenminister Corach hatte die Aufgabe, die Menschen zu beruhigen. „Der Peso ist so stabil wie nie“, behauptet er. Über 30 Milliarden Dollar Reserven sollen laut Corach in den Tresoren der argentinischen Zentralbank lagern, damit könne man den Peso im Falle einer Spekulationsattacke schon eine Zeitlang stützen. Und erst am Wochenende haben sich Opposition und Regierung in trauter Einigkeit umarmt und verkündet: Der Peso ist sicher.
Egal, wer die Präsidentenwahlen Ende des Jahres gewinnt, der neoliberale Schockkurs in der Wirtschaftspolitik wird beibehalten. Und das heißt weiterhin: Kürzungen überall, strikte Einhaltung des Schuldendienstes, Privatisierung von öffentlichen Betrieben und Marktöffnung. Die Dollar-Parität hat wenigstens die Stabilität gebracht. Vor der Festlegung des Verhältnisses eins zu eins zwischen Peso und Dollar stiegen die Inflationsraten in atemberaubende Höhen, so daß teilweise ein Laib Brot am Abend das Dreifache wie am Morgen kostete.
Doch Gründe für eine Abwertung gäbe es genug. Seitdem Brasilien als wichtigster Handelspartner Argentiniens seine Währung Real abgewertet hat, ist das Gleichgewicht in der Region durcheinandergekommen. Der überbewertete Peso hat deswegen so lange so gut funktioniert, weil der Real ebenfalls überbewertet war. Argentinische Produkte waren überteuert, brasilianische aber auch. Das ist heute anders, und die argentinische Exportindustrie steckt mit ihren hohen Preisen in Nöten. Und das Beispiel Brasilien zeigt, daß mit einer Abwertung nicht unbedingt die Horrorinflationsraten zurückkommen, sondern daß sie auch gut für die Wirtschaftstätigkeit sein kann. Im Hartwährungsland Argentinien hingegen gehen die Auslandsinvestitionen zurück. Infolge der Handelskrise fallen die öffentlichen Einnahmen geringer aus. Vor zwei Wochen mußte Argentinien mit dem IWF das vereinbarte Haushaltsdefizit neu verhandeln, auch nicht unbedingt eine Vertrauen schaffende Maßnahme. Ingo Malcher
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