Mit dem Stilmöbel auf Du und DU: Möbel im Wert von 20 Mio. zu verscherbeln
■ Millionenauktion zwecks Steuertilgung
„We can knock a wall down for you, that it fits“. Skeptisch steht die junge Dame vor Kai- ser Wilhelm, denn der ist ihr einfach zu groß. Doch Sidney Howard, seines Zeichens Ge- schäftsführer und Präsident der Firma „Inter UK“, läßt nicht locker. Kaiser Wilhelm muß verkauft werden, denn er ist ein Spiegel von zwei Meter Breite und zweieinhalb Meter Höhe und von der Bank des früheren Besitzers an die Firma „Inter UK“ zum Verkauf weitergegeben worden. Trotz dieser Not will sich die Kaufinteressentin des Spiegels von „Sir“ Howard nicht die Decke einreißen lassen, damit Kaiser Wilhelm in ihr Badezimmer paßt. Sie schaut sich weiter in der Verkaufsausstellung im Parkhotel nach Schnäppchen um.
Neben hemdsärmeligen Sprüchen sind Zahlen die Lieblingsbeschäftigung von „Sir“ Howard, diesem rührigen englischen Gentleman mit dem schwarzen Anzug und Krawatte. 100 Verkäufer, Träger und Wächter unterstützen ihn dabei, Waren im Wert von 20 Millionen Mark loszuschlagen, um Steuerschulden von Firmen aus England, Frankreich, China und Indonesien zubegleichen. Ein Großteil der Einnahmen – abzüglich der Provision natürlich – müssen dann auf Konten bei Geldinstituten wie der englischen ,,National Westminster Bank“ oder der „Credit Lyonnais Holland“ überwiesen werden, wie Sidney Howard, plötzlich ganz ernst, mit Trauer in der Stimme erzählt.
Doch – und da hellt sich seine Miene wieder auf – er werde schon seinen Schnitt machen, wie bereits in Düsseldorf, Frankfurt oder Köln. Damit das auch so ist, passen 10 Wachmänner auf chinesiche Teppiche zum Spottpreis von 1.700 Mark (gerade von Sidney Howard nochmals auf 1.500 Mark heruntergesetzt) oder kitschige englische, französische und niederländische Gemälde auf. Die sollen alle angeblich über 5.000 Mark wert sein, doch ein Stilleben mit einer Birne und einem Apfel in einem Weidenkorb mit Weintrauben daneben gibt es hier schon für „nur“ 300 Mark. Ob der Preis für die Äpfel und Birnen korrekt ist, erfährt der Käufer nicht, denn, so erklärt ein Verkäufer einem Kauf- lustigen, das Geschäft mit der „Inter UK“ machten die Banken und nicht die verschuldeten Firmen.
Mr. Howard schnappt sich den gerade verkauften Spiegel „Classique“ und bringt ihn zu einem der vor dem Nebeneingang des Hotels stehenden Lieferwagen. Als einer von insgesamt zehn Transportern wird der Lieferwagen den kleinen Bruder von Kaiser Wilhelm laut Sidney Howard spätestens eine Stunde nach Abschluß des „deals“ zu Frau oder Mann nach Hause bringen. Bezahlt wird sofort im Parkhotel oder aber auch bei Empfang des guten Stückes.
„We trust the people“, betont Sidney Howard – die ihm auch, denn für das Sofa im englischen Landhausstil gibt es kein Zertifikat, jedoch ein Jahr Garantie.
Sollte es also anstelle eines Spiegels vielleicht doch ein Möbelstück sein, hat Howard da was Passendes auf Lager. Gestenreich preist der Mann mit der Pagenfrisur und den silbergrauen Haaren den Vorzug eines Kaufs von kleinen italienischen Holztischchen: „Every time you buy one of those, you get an itali- an ice-cream free“. cwt
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