Mit dem Rad zur Klimakonferenz in Baku: Einreise-Erlaubnis per Whatsapp
Aserbaidschan hat die Landgrenzen vor Jahren dichtgemacht. Unser Autor will mit dem Fahrrad zur Weltklimakonferenz in dem Land. Wird er reingelassen?
I ch bin in Aserbaidschan, dem 14. und letzten Land meiner Reise. Ein Land, dessen Geschäftsmodell zu 60 Prozent aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe besteht. Ein Land, das von Machthaber Alijev mit eiserner Hand geführt wird. Ein Land, das in einen blutigen Konflikt mit Armenien verwickelt ist. Ausgerechnet hier, im pompösen Olympiastadion von Baku, beginnt am Montag die 29. Weltklimakonferenz.
Noch bin ich nicht da. Ich bin auf der Zielgeraden, 100 Kilometer vor der Hauptstadt. Als Radreisender ist man in Aserbaidschan eine völlige Ausnahmeerscheinung. „Tourist?“ Diese Frage höre ich jeden Tag etliche Male. Viele können nicht glauben, dass ich tatsächlich aus Deutschland mit dem Fahrrad in ihr Land gefahren bin.
Ihre Überraschung ist verständlich: Dass ich es bis hierhin geschafft habe, ist alles andere als selbstverständlich. Aserbaidschans Landesgrenzen sind seit über vier Jahren für den Personenverkehr gesperrt. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie, im März 2020 machte Aserbaidschan seine Übergänge dicht und hat sie bis heute nicht wieder geöffnet.
Als ich vor 100 Tagen in Freiburg losfuhr, hatte ich auf dieses Problem noch keine Antwort. Etwas naiv glaubte ich, es wäre ja nicht im Interesse Aserbaidschans, wenn sie einem Radreisenden, der klimaneutral zu ihrer Klimakonferenz fährt, die Einreise verweigern würden. Irgendwie hatte ich dieses Urvertrauen, dass sich eine Lösung finden würde.
Ohne Fliegen geht es nicht? Der Autor Ingwar Perowanowitsch will im November an der COP29 teilnehmen, der diesjährigen Weltklimakonferenz in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Die rund 3.600 Kilometer fährt er klimafreundlich mit dem Rad. In seiner Kolumne „Radsam zur COP“ nimmt er die taz auf die Reise mit.
Es klang zu gut, um wahr zu sein
Und tatsächlich: Einen Tag nachdem die taz den ersten Beitrag meiner Reisekolumne veröffentlicht hatte, bekam ich eine Mail von der Präsidialverwaltung Aserbaidschans. Betreff: „Landgrenzen“. Sie hätten in der Zeitung von meiner Reise gelesen und würden mir gerne für die Einreise eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Ich bekam eine Whatsapp-Nummer, bei der ich mich bei Interesse melden sollte.
Es war ein kleines Wunder. Gleichzeitig klang es zu gut, um wahr zu sein. Und so blieb ich bis zum Schluss skeptisch. Würde ein Kontakt per Whatsapp wirklich ausreichen, um eine geschlossene Grenze zu überwinden? Entsprechend nervös nähere ich mich ihr. Geht das heute schief, so habe ich im Vorfeld beschlossen, ist diese Reise hier und heute vorbei. Ich bin nicht knapp 5.000 Kilometer mit dem Fahrrad hierhergefahren, um für die letzte Etappe in ein Flugzeug zu steigen. Meine Fahrradreise zur Weltklimakonferenz nach Baku wäre also gescheitert.
Als der georgische Polizist mir die Ausreise mit dem Verweis verweigert, dass Aserbaidschan niemanden ins Land lassen würde, schreibe ich meinem Kontakt. Wenige Sekunden später bekommt der Polizist eine Ansage auf sein Funkgerät. Er schaut erstaunt und winkt mich plötzlich durch.
Euphorisch trete ich in die Pedale. Auf der anderen Seite erwartet man mich schon. „Welcome to Aserbaidschan“, begrüßen mich Herren in grüner Uniform. Und dann bin ich drin. Ich bekomme einen Stempel in meinen Pass und darf losfahren. Ich kann mein Glück kaum fassen.
Morgen komme ich in Baku an. Nach 5.500 Kilometer und 107 Tagen seit meiner Abreise aus Deutschland. Ich bin nervös, wehmütig, aber auch etwas stolz. Aber vor allem freue ich mich, die nächsten 10 Tage hautnah erleben zu dürfen, wie die Staaten dieser Erde die globale Klimapolitik verhandeln – nach der tragischen Wiederwahl eines Klimaleugners in den USA ist das wahrlich keine leichte Aufgabe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen