■ Mit dem Mengentender auf du und du: Der echte Leitzins
Berlin (taz) – Könnte eine Bank mehr Geld verleihen, als sie hat – in Wachstumszeiten üblich –, verfügt sie über zwei Möglichkeiten. Entweder sie leiht es sich ihrerseits von anderen Banken. Das geht per Computer blitzschnell und kostet meist 0,1 Prozent mehr Zinsen als bei der Bundesbank. Die zweite Möglichkeit: Sie leiht es sich direkt beim Staat.
Aber die Bundesbank gibt nur soviel Geld, daß die Inflationsrate niedrig bleibt. Reguliert wird dies mit Leitzinsen. Für einen bestimmten Zinssatz bietet die Bundesbank den Geschäftsbanken eine begrenzte Summe an, die unter ihnen aufgeteilt wird – zum Diskontsatz, derzeit 2,5 Prozent. Wer damit nicht auskommt, kann unbegrenzt viel Geld haben – zum Lombardsatz, derzeit 4,5 Prozent. Seit etwa zehn Jahren ist ein drittes, eleganteres Verfahren hinzugekommen, dessen Zinssatz zwischen Diskont und Lombard liegt und von beiden etwas hat: das Tendern, ein Angebot machen.
Bei ihren Mengentendern offeriert die Bundesbank viermal monatlich einen Zinssatz und erkundigt sich bei den Geschäftsbanken, wieviel Geld sie zu diesem Preis haben wollen. Dieser Zinssatz liegt zur Zeit bei drei Prozent und blieb gestern, entgegen der Erwartung einiger Analysten, unverändert. Die Banken geben Gebote ab, und anschließend legt die Bundesbank fest, wieviel Prozent davon zugeteilt wird. So haben beim Mengentender vom 2. Juli bei auch damals drei Prozent Zinsen 527 Geschäftsbanken insgesamt 254 Milliarden Mark geboten; die Bundesbank hat ihnen 79 Milliarden zugeteilt. Seltener sind derzeit Zinstender, bei denen die Banken sowohl Volumen wie Zinssatz nachfragen können. Die Bundesbank berücksichtigt dann die teuersten Angebote zuerst. Den letzten Zinstender gab es am 1. Februar 1996, als die Bundesbank an 291 Banken insgesamt 59 Milliarden Mark, den Großteil zu 3,45 bis 3,43 Prozent, zuteilte. Zinstender mit ihren feinsten Zinsnuancierungen sind beliebt, wenn die Zinsen in Bewegung sind. Schon die Ankündigung eines Zinstenders sorgt für Aufregung, während Mengentender etwas für ruhigere Zeiten ist.
Die organisatorische Bezeichnung für diese Art des Tenderns ist ein Ungetüm: Wertpapier-Pensionsgeschäft. Denn das Geld erhalten die Banken nicht umsonst, sondern sie müssen dafür mit bestimmten hochklassigen Wertpapieren bezahlen. Je mehr Papiere bei der Bundesbank in Pension sind, um so mehr Geld gerät in Umlauf. Und wird's zuviel, nimmt beim nächsten Geschäft die Zahl der Pensionäre ab. Dietmar Bartz
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