■ Mit dem Havelausbau auf du und du: Begehren gescheitert
Berlin (taz) – 58.306 Stimmen haben nicht gereicht, um ein Volksbegehren gegen den geplanten Ausbau der Havel zur Europa-Wasserstraße auf den Weg zu bringen. 80.000 Unterschriften wären nötig gewesen. Freie Hand hat damit vorerst das Bundesverkehrsministerium, das im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit die Verbreiterung der Wasserstraße Berlin–Hannover plant. Ökologische und wirtschaftliche Bedenken, wie sie der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) vorbrachte, haben nicht genug Unterstützung in der Bevölkerung gefunden.
Dabei sind die Bedenken durchaus fundiert: Durch die Ausbaggerung des Flusses wird sich die Fließgeschwindigkeit verändern, was die Tier- und Pflanzenwelt gefährdet. „Heute ist der natürliche Flußlauf der Havel noch weitgehend erhalten“, sagt Matthias Schneider von den Bündnisgrünen in Brandenburg. Diese Naturnähe würde verschwinden. Außerdem wirkt sich die Flußerweiterung auf den Grundwasserspiegel aus, meint Schneider. Die Havel beziehe einen Großteil ihres Wassers aus der Spree. Die wiederum profitiere vom Braunkohletagebau in der Lausitz. Für den Tagebau mußte Wasser abgepumpt werden, und zwar in die Spree. Mit dem Niedergang des Kohleabbaus komme weniger Wasser in die Havel. Außerdem vertreibe der Ausbau die Touristen, die zwischen Potsdam und Brandenburg ein wichtiger Wirtschaftsfaktor seien. Zudem werde den Havelfischern ihre Lebensgrundlage entzogen.
Grundsätzlich halten die Ausbau-Gegner das Projekt für überflüssig. „Das Verkehrsministerium hat mit alten Zahlen kalkuliert. Experten gehen davon aus, daß das zukünftige Frachtaufkommen viel zu hoch angesetzt ist“, sagt Heidrun Schöning vom Nabu. So kommt das Ministerium in seinen Berechnungen auf einen Kosten- Nutzen-Faktor von 6,6. Das bedeutet, daß eine Mark Investition innerhalb von 85 Jahren 6,60 Mark Gewinn bringt. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin errechnete einen Faktor von 2,2. Es geht von einem geringeren Frachtaufkommen und höheren Kosten als den bisher erwarteten 4,5 Milliarden aus.
Das gescheiterte Volksbegehren wird von den Umweltverbänden dennoch als Erfolg gewertet. „Trotz der weiten Wege zu den Meldeämtern und der oft unzureichenden Öffnungszeiten“ hätten viele Bürger das Begehren unterstützt, so Sylvia Groß, Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Das Ergebnis hätte besser aussehen können, wenn mehr Geld für die Aufklärung der Bevölkerung dagewesen wäre. Jetzt wollen die Verbände und Bündnis 90/Die Grünen wenigstens die Planung, zum Beispiel beim laufenden Raumordnungsverfahren, beeinflussen. Manuela Römer
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