Mit dem Handel mit AKP-Staaten auf Du und Du: Mühsame Einigung
Brüssel (taz) – Zwei Jahre stritten sich die Europäische Union und die Entwicklungsländer Afrikas, des Karibikraums und Asiens (AKP) über die Fortsetzung der Handelspriviligien der ehemaligen Kolonialstaaten gegenüber ihren ehemaligen Kolonien. Denn das bisherige Lomé-Abkommen läuft nach fünfundzwanzig Jahren Ende Februar aus. Kurz vor Ablauf dieser Frist gelang den Parteien nun in der Nacht zum Freitag endlich eine Einigung.
71 der ärmsten Länder gegen 15 der reichsten – David gegen Goliath. Während die AKP-Länder möglichst viele der bisherigen Handelsprivilegien zu retten versuchten, drängte die EU auf mehr Liberalisierung, um keinen Ärger mit der Welthandelsorganisation (WTO) zu riskieren. Die neue Einigung soll noch acht Jahre gelten. Für diesen Zeitraum hofft die EU auf eine Ausnahmegenehmigung der WTO. Nach weiteren zwölf Jahren sollen die Märkte der Entwicklungsländer endgültig allen Schutz verlieren.
Die EU will in Zukunft mehr Kontrolle darüber, dass ihr Geld effektiv eingesetzt wird. Unterstützung der armen AKP-Staaten soll es in Zukunft nur im Gegenzug zu mehr Demokratie geben. Verletzt ein Land die Menchenrechte oder rechtsstaatliche Grundsätze, kann Brüssel die Finanzhilfen aussetzen – für viele Entwicklungsländer eine höfliche Umschreibung für Erpressung und Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten.
Und bis zum Schluss werten sie sich tapfer gegen die ärgste Zumutung der EU: die generelle Rückübernahmeklausel. Im Dezember hatte die EU beschlossen, künftig nur noch Verträge mit Partnern zu machen, die illegal eingereiste Flüchtlinge zurücknehmen – selbst dann, wenn der betroffene Staat Durchreiseland gewesen ist und der Flüchtling einen ganz anderen oder gar keinen Pass besitzt. Die spät in der Nacht gefundene Kompromissformulierung verbuchen nun beide Seiten als Erfolg: Tatsächlich ist im Artikel „Migration“ nur noch von Rücknahme der eigenen Staatsangehörigen die Rede. Über Drittstaatler und Staatenlose sollen aber, „wenn es von einer der Parteien für nötig erachtet wird“, gesonderte Abkommen getroffen werden.
Auch finanziell hat die EU ihre Vorstellungen weitgehend durchgesetzt. 15,2 Milliarden Euro werden für die nächsten fünf Jahre als Entwicklungshilfe für die AKP-Staaten bereitgestellt, davon 1,7 Milliarden als zinsgünstiger Kredit – zuvor waren es 17,1 Milliarden gewesen. Die AKP-Staaten hatten für die Zukunft mindestens die gleiche Summe gefordert. Die EU entgegnete, dass 9 Milliarden aus der letzten Periode bis heute nicht ausgeben sind. Sie sollen verfügbar bleiben.
Regionale Zusammenarbeit, sagte Entwicklungshilfekommissar Poul Nielson, sei ein wesentliches Ziel der neuen Übereinkunft. Nur sechs Prozent ihres Handels wickelten die afrikanischen Länder derzeit untereinander ab. Der Löwenanteil fließe immer noch in die Industrieländer. Der neue Vertrag solle den AKP-Ländern helfen, von Europa unabhängig zu werden.
„Wir sind hier, um ihnen zu helfen, die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern“, zitierte Nielson stolz aus der Präambel des neuen Vertrages. Die AKP-Partner hätten auf diese Herausforderung gerne verzichtet. Aber das schlechte Gewissen der Kolonialherren von einst, die ihre historische Schuld in Form von Handelsprivilegien abzutragen versuchten, wird schwächer. Wenn dieses moralische Band fehlt, dann bleibt am Ende nur der ungleiche Kampf von David gegen Goliath. Daniela Weingärtner
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