■ Mit Unternehmenssteuern auf du und du: Sonneninsel Madeira
Hamburg (taz) – Wenn der Bundesrat heute über die rot- grüne Steuerreform entscheidet, steht auch der Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem Prüfstand. Unser Steuerrecht bietet Firmen und Konzernen bislang zwei Arten von Fluchtmöglichkeiten: interne und externe Steueroasen. Stille Reserven, Rückstellungen für kommende Risiken oder erwartete, aber noch nicht eingetretene Verluste, Abschreibungen auf im Lager liegende Produkte und einiges mehr erlauben es, Gewinne korrekt, „intern“ am Fiskus vorbeizubilanzieren. Fachleute sind sich einig, daß manche Steuervergünstigung durchaus ökonomisch sinnvoll ist, andere sind aber zumindest von der Zeit überholt worden. Als die Bonner Regierung drohte, an diesen Privilegien herumzuschnibbeln, etwa bei Versicherungen und in der Energiewirtschaft, ist der Aufschrei in Unternehmenskreisen verständlicherweise kraftvoll. Die Allianz und DaimlerChrysler drohten gar mit Flucht ins Ausland.
Noch lauter wäre vermutlich der Aufschrei, wenn die reizvollen „externen“ Sparmöglichkeiten in den Blick einer – sagen wir – europäischen Steuerreform gerieten. Beispielsweise könnte eine Radikalkur die konzerninternen Verrechnungspreise treffen. Zahlreiche Großunternehmen versichern zum Beispiel spezifische Risiken bei konzerneigenen Versicherungsgesellschaften im Ausland. Solch eine Flucht ist deshalb lohnend, weil die von hier gezahlten Prämien höher sind als die bei der ausländischen Tochtergesellschaft anfallenden Kosten. Im Inland mindern die Prämienzahlungen dann den zu versteuernden Gewinn. Und da für den Sitz der Auslandstochter zweckmäßigerweise eine Steueroase ausgesucht wird, sind die dort anfallenden Gewinne kaum oder gar nicht zu versteuern.
Solche Steueroasen finden sich selbst innerhalb der EU. Portugals Sonneninsel Madeira wirbt in der jüngsten Ausgabe von Die Bank, der Zeitschrift des Bundesverbandes deutscher Banken, in einem zweiseitigen Artikel für sich: „Attraktiver Kernaspekt für internationale Finanzgeschäfte aus Madeira heraus ist die vollständige Befreiung von Ertragssteuern.“ Michels erwartet in Zukunft einen verstärkten Zulauf aus Deutschland – nicht aufgrund der Steuerreform hier, sondern wegen der prachtvollen Bedingungen mitten im Atlantik. Hermannus Pfeiffer
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