: Mit Skat hamm' Se gleich Kontakt
■ Ein ganz normaler Dienstag im Nachbarschaftshaus „Beim Ohlenhof“, einer ehemaligenr re-education-Einrichtung der Amerikaner
Achtzehn, zwanzig, passe. Frieda Richters spielt, gewinnt — ein paar Pfennige in die blaue Niveadose. „Alles Nebensache, ich komme hierher, um meinen Spaß zu haben!“ Dienstags und Donnerstags, von drei bis sechs. Ins Nachbarschaftshaus Beim Ohlenhof in Gröpelingen. Seit 17 Jahren trifft sich hier eine kleine Schar von RentnerInnen zum Skat - an einem ganz normalen Nachbarschaftshaus-Tag.
Hauptsache, die gute Laune stimmt, das gilt für die „älteren Nachbarn“, wie sie im Gröpelinger Nachbarschaftshaus rücksichtsvoll genannt werden, wie für alle anderen Altersgruppen, die sich hier im Ohlenhof tummeln. Ein Haus, das für die BürgerInnen täglich von halb acht Uhr morgens geöffnet ist, ein Gebäude mitten im Stadtteil, ein Treffpunkt, ein Aktionshaus, eine Beratungsstelle.
„Wir bringen hier diese besondere Mischung aus sozialer und kultureller Arbeit zusammen, wir haben festes Tages-und Abendprogramm und Theater- oder Musikveranstaltungen. Oder wir vermieten unseren großen Saal für Feste.“ Lenchen Tetz, die Leiterin des Nachbarschaftshauses, plaudert aus der Geschichte des Hauses. Gegründet wurde der Ohlenhof 1951, als „re-education“-Maßnahme der Amerikaner, die ihn als ein Projekt der Hilfe-zur-Selbsthilfe verstanden, und mittels Gruppenpädagogik Demokratie lehren wollten.
„Ein Vierteljahrhundert später war das Gröpelinger Nachbarschaftshaus Vorbild für weitere sieben Bremer Bürgerhäuser“, so Tetz. Seine Sonderrolle hat das Nachbarschaftshaus Beim Ohlenhof behalten. Es ist Besitzer seines Gebäudes, arbeitet mit der Arbeiterwohlfahrt zusammen und hat eine eigene Kindertagesstätte.
Die Schulkinder strömen ins Haus. „Die Hexen“ von der 'Mädchenfreundschaftsgruppe' haben sich im Keller ihren Raum eingerichtet. Mit knalligen Graffities an der Wand und Sofas über Sofas. In Gedanken versunken formt Michaela kleine Tonfiguren, Nicole und die anderen sind mal eben zum Computer- Spielen bei den Jungs vom Computer-Club. Dort muffelt's leicht, piepst vor sich hin und rockt dezent aus dem Radio.
„Noch jemand Kaffee?“ Eine weißhaarige Dame spaziert mit der Thermoskanne durch die Räume. Hans Senkpiel nimmt gerne an. Er sitzt in einem der gemütlichen Korbsessel im Eingangsbereich und hat heute Dielendienst — nimmt die Leute in Empfang, schickt sie hierhin und dorthin, führt sie ans Telefon oder schnackt mal ganz in Ruhe ein Viertelstündchen. Hans Senkpiel bekommt dafür eine kleine Aufwandsentschädigung, er ist einer von rund 60 nebenamtlichen — neben 8 hauptamtlichen — MitarbeiterInnen im Nachbarschaftshaus. „Das ist mir doch ein Herzensanliegen, ich mach' das gern, bin unter Leuten — mein sogenanntes zweites Zuhause“, sagt der Frührentner.
In den Gängen des großen, verwinkelten Gebäudes ist es etwas stiller geworden, die SängerInnen der Chorgemeinschaft Bremen West trudeln summend ein, in der Handarbeitsgruppe ist heute 'freies Arbeiten' angesagt und in der kleinen Bibliothek werden wieder Karten gekloppt, diesmal Doppelkopf. „Wir werden meist dann rausgeschmissen, wenn wir uns in Form gespielt haben.“ Um zehn, wenn wie jeden Werktag der Dielendienst das 'Ohlenhof'-Haus schließt.
Silvia Plahl
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