Mit Reggae gegen Pegida: „Ich empfinde Scham“
„No Pegida!“: So heißt der Song, mit dem sich der Sänger Ronny Trettmann gegen Pegida stellt. Er beobachtet die Bewegung mit Sorge.
taz: Ronny Trettmann, Pegida ist schon seit Oktober auf den Straßen und bisher immer größer geworden. Was war der ausschlaggebende Grund den Song „No Pegida“ gerade jetzt zu produzieren?
Ronny Trettmann: Ich hab die Entwicklung der Bewegung von Anfang an verfolgt. Es hat mir auch immer unter den Nägeln gebrannt, was dazu zu schreiben. Ich war aber vorsichtig, ich schreibe eher wenige politische Texte. Mir hat hier auch der entscheidende Dreh gefehlt, wie ich das aufziehen soll. Ich wollte kein Öl ins Feuer gießen. Dann trat der „Yellow Umbrella Sänger“, Jens Strohschneider, auf mich zu und meinte, dass er einen Song hätte, „Modern Slavery“, dessen Refrain er zu „No Pegida“ geändert hatte. Er hat mich gebeten, weitere Strophen zu schreiben. Das hab ich dann auch gemacht, ich hab meine Emotionen sprechen lassen. Das ist ja manchmal das Beste.
Viele Demonstranten von Pegida und ihren Ablegern betonen immer wieder, dass sie keine Nazis seien. Wie stehen Sie dazu?
Wenn man letztendlich die selben Positionen wie Rechte vertritt, nationalsozialistisch gefärbte Wörter wie „Lügenpresse“ und „Vaterlandsverräter“ benutzt und Organisatoren hinterher marschiert, die teilweise eindeutig zum rechten Sektor gehören, dann muss man sich auf gewisse Vorwürfe einstellen. Wenn man die Positionspapiere von „Pegida“ und „Legida“ liest, wobei Letztere ja viel weiter gehen, sieht man, wie xenophob und islamfeindlich die Bewegungen sind. Wer das toleriert, dem kann man einen Vorwurf machen.
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Warum sind diese Leute ihrer Meinung nach aber auf der Straße?
Das sind vor allem die sozialen Missstände. Es geht auch um Futterneid, wenn man es herunterbricht. Sachsen und gerade Dresden kennt kaum Leute mit Migrationshintergrund, die schon in der dritten Generation hier leben. Man hat Angst, dass einem etwas genommen wird, weil man den Umgang gar nicht gewöhnt ist und man ist dementsprechend misstrauisch. Außerdem glaube ich, dass jene, die dort demonstrieren, nicht viel gereist sind. Wer viel unterwegs ist, der lernt andere Kulturen kennen und erlebt ein Willkommensgefühl. Wer das erlebt hat, der geht für sowas nicht auf die Straße. So bekommen die Demonstranten aber ihre Informationen nur aus dem Fernseher, wo Angst geschürt wird. Diese Angst trägt die Leute dann auf die Straße.
Wie die Pegida-Bewegung kommen Sie ebenfalls aus Sachsen. Ist „Pegida“ denn ein ausdrücklich sächsisches oder sogar Dresdner Problem?
Nein, es fällt hier stärker auf, aber es ist ein deutschlandweites Problem.
heißt mit bürgerlichen Namen Stefan Richter und ist ein deutscher Reggae- und Dancehall-Sänger beziehungsweise -Deejay aus Leipzig. Er ist vor allem für seine im sächsischen Dialekt gesungenen Lieder bekannt.
Das Lied „No Pegida“ entstand in Kooperation mit der Band Yellow Umbrella aus Dresden und dem Produzenten Tiny Dawson.
Wie erklären Sie sich dann, dass in anderen Städten Deutschlands der Widerstand gegen „Pegida“ und seinen Ablegern viel stärker ist?
Das wundert mich auch. Jeder Dresdner müsste sich eigentlich dagegenstellen wollen. Vielleicht ist es die Zermürbung, wenn jede Woche so eine Demonstration stattfindet. Doch eigentlich kann man das nicht gelten lassen.
Schämen Sie sich wirklich aus dem Osten zu sein, wie sie im Song singen?
Tatsächlich empfinde ich Scham, wenn ich daran denke, dass ich von Menschen umgeben bin, die xenophob sind.
Wie war die Resonanz zum Lied bisher? Wurde es in Radiostationen gespielt?
Es haben verschiedene Radiostationen angefragt und den Song auch gespielt. Auch im Netz hat der Song sich gut verbreitet, mein Briefkasten auf Facebook ist voll. Ich bekomme viele Danksagungen und es wird auch fleißig geteilt.
Haben Sie auch Gegenwind bekommen, vielleicht sogar Drohungen?
Teilweise, ich hab es nicht wirklich verfolgt. Ich hab zwar schon heftige Kommentare unter Artikeln gelesen, die sich um meinen Song drehen, aber größtenteils ist die Resonanz positiv.
Sie singen auch, dass ihnen „Pegida“ Angst macht. Was genau sind ihre Befürchtungen?
Dass Deutschtümelei und Nationalismus wieder die Oberhand gewinnen und legitim werden.
Gibt es dann ein tatsächliches Risiko, dass es dazu kommt?
Ich war 16, als die Mauer fiel. Ich hab den Fremdenhass erlebt, der dann in fast allen ostdeutschen Städte grassierte. Das war ein Trauma, deswegen bin ich sehr vorsichtig mit solchen Bewegungen. Die Leute von damals haben sich nicht verändert und folgen weiter rechten Brandstiftern. Es gibt also ein solches Risiko.
Wie werden sich die Ereignisse ihrer Meinung nach weiter entwickeln?
Ich bin kein Prophet. Ich hab trotz allem aber ein gutes Gefühl. Das Feedback auf den Song gibt mir auch das Gefühl, dass viele meiner Meinung sind.
Was würden Sie den Demonstranten am liebsten sagen, in einem Satz?
Achtet darauf, mit wem ihr marschiert und gebt Rassismus und Islamfeindlichkeit keine Chance.
Werden Sie auch auf der Gegendemonstration in Leipzig sein?
Die Route führt an meiner Haustür vorbei. Ich werde erstmal Kerzen auf die Stolpersteine zur Erinnerung an die deportierten Leipziger Juden aufstellen. Dann werde ich mich der Gegendemonstration anschließen.
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