■ Mit Nitraten auf du und du: Gift im Grundwasser
Straßburg (taz) – Die Zahlen sind eindeutig: Vor allem in Holland, Nordbelgien, aber auch in Niedersachsen wird bis zu dreimal mehr Kunstdünger und Gülle auf die Äcker gekippt, als das Gesetz erlaubt. Ein großer Teil davon sickert als Nitrate in den Boden und vergiftet das Trinkwasser. Nitrate sind krebserregend, hemmen den Sauerstofftransport im Blut und führen bei Säuglingen zum sogenannten „Blue Baby Syndrom“.
Die Probleme sind bekannt, aber die Regierungen wollen mit Rücksicht auf die Bauern nichts unternehmen. In einem alarmierenden Bericht weist das Europaparlament nun darauf hin, daß die 1991 beschlossene Nitratrichtlinie in kaum einem der 15 EU-Staaten eingehalten wird.
Am schlimmsten sei die Situation in den drei Benelux- Staaten, in Irland und Deutschland. Als Hauptverursacher werden die Massentierhaltung und der unmäßige Gebrauch von Kunstdünger genannt, die für 90 Prozent der Nitratbelastung verantwortlich sind. Gegen 13 Mitgliedsländer laufen Verfahren der EU-Kommission wegen Mißachtung der Nitratrichtlinie. Die vorgeschriebenen Aktionsprogramme zur Rettung des Grundwassers wurden bestenfalls halbherzig angegangen. In Deutschland sei zudem unklar, heißt es im EU-Parlamentsbericht, „wie die Bestimmungen in der landwirtschaftlichen Praxis durchgeführt“ würden: „Wer ist für die Überwachung zuständig?“
In einigen Regionen ist das Grundwasser nach EU-Definition schlicht vergiftet. Selbst wenn Massentierhaltung und Kunstdüngerverbrauch sofort eingeschränkt würden, bräuchte es 20 Jahre, bis sich das Grundwasser erholt. Die Grünen im Europaparlament haben deshalb gefordert, „EU-Beihilfen für Landwirte zu stoppen, die die Nitratvorschriften nicht einhalten“.
Doch so weit wollte die Mehrheit der EU- Abgeordneten dann doch nicht gehen. Wenn's ums Geld geht, ist der Einfluß der Agrar-Lobby auch im Europaparlament nicht zu übersehen. Der Landwirtschaftsausschuß hat auch gleich um Verständnis für die Probleme der Bauern gebeten. Vor allem kleine Betriebe seien zu intensiver Landwirtschaft gezwungen. Die EU müsse den Bauern deshalb zusätzliches Geld geben, etwa für Maßnahmen zur Lagerung von Gülle, damit diese nicht mehr über die Äcker verteilt wird. Die Grünen-Abgeordnete Hiltrud Breyer fordert die neue Bundesregierung auf, „unverzüglich aktiv zu werden“. Die hat mit dem künftigen Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke eine echte Fachkraft aufzuweisen. Funke war als Agrarminister von Niedersachsen bisher dafür verantwortlich, daß dort die Nitratgrenzwerte bis zum Fünffachen überschritten wurden. Alois Berger
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