■ Mit Marokkos Wirtschaft auf du und du: Blick gen Norden
Rabat (dpa/taz) – Alle Jahre wieder preist Marokkos König Hassan II sich den Europäern als gutes Bollwerk gegen den islamischen Fundamentalismus an. Dieses Jahr nun soll eine neue Art der Kooperation zwischen Marokko und der Europäischen Union (EU) beginnen, die politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit einschließt.
Marokkos Wirtschaft steht seit elf Jahren unter Weltbank- Regie. Das rigorose Sanierungsprogramm ging zu Lasten breiter Bevölkerungsschichten, so daß jetzt selbst die Weltbank soziale Reformen angemahnt hat. Die Analphabetenquote beträgt fast 60 Prozent, in der Hälfte der marokkanischen Haushalte gibt es weder Strom noch fließendes Wasser, und die ärztliche Versorgung ist mangelhaft. Dazu kommt eine Arbeitslosenquote von 30 bis 40 Prozent. Der soziale Druck hat zugenommen, seit der König der illegalen Auswanderung nach Europa einen Riegel vorgeschoben hat. Das gehört neben der Unterbindung des Anbaus und des Exports von Hasch zu den Bedingungen, die die EU für eine engere Kooperation gestellt hat. Das Weltbankprogramm aber hat Marokkos Wirtschaft auch kleine Wachstumsraten beschert: 1993 war es ein Plus von ein Prozent. 1994 soll es weiter bergauf gehen, wenn es ausreichend regnet. Denn die Landwirtschaft bietet trotz Landflucht noch immer fast der Hälfte der 26 Millionen Marokkaner die Lebensgrundlage und trägt mit 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Die Inflation lag Ende 1993 bei rund fünf Prozent. Das Haushaltsdefizit, das 1982 noch zwölf Prozent ausmachte, wurde auf 1,7 Prozent des BIP gedrückt. Das Leistungsbilanzdefizit sank in elf Jahren von zehn auf zwei Prozent und wird heute durch Geld aus dem Ausland gedeckt, das marokkanische Gastarbeiter überweisen oder ausländische Touristen bringen. 1993 erreichten die Auslandsinvestitionen fast eine Milliarde Mark. Inzwischen fließt vor allem aus Spanien viel Geld in das nordafrikanische Land. Angelockt werden Investoren nicht nur durch die Liberalisierung des bisher starren Wirtschaftssystems, sondern auch durch ein umfangreiches Privatisierungsprogramm. 112 Staatsbetriebe sollen verkauft werden.
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