■ Nachschlag: Mit Literaten im Garten: Sommerfest am Wannsee
Die Sommerfeste des Literarischen Colloquiums sind – im Gegensatz zu denen des Literaturhauses in Pankow – eine eher unaufgeregte Veranstaltung für kulturinteressierte Menschen in der Lebensmitte. Im Publikum dominieren Frauen um die Vierzig und Männer aus dem Leben, die häufig an Matthias Greffrath erinnern und beim Wechsel zwischen der hügelabwärts gelegenen Rotunde am Wannsee und den edlen Räumlichkeiten des LCB vorsichtig gehen, damit sie sich nicht schmutzig machen. Zierliche Rentnerinnen diskutieren an Biergartenbänken auf der Terrasse den Stand der deutschen Gegenwartsdichtung. Zwischendurch gibt es die für derlei Veranstaltungen obligatorischen Chansons der 20er Jahre, resp. Trinklieder der Irish Folk-Combo „Flinkfinger“. Wer unter vierzig ist, wie die drei Berliner Ingeborg-Bachmann-Preisträger Jan Peter Bremer, Felicitas Hoppe, Heiko Michael Hartmann, gilt hier als „Nachwuchsautor“.
Auch Thomas Brussig ist ein junger Spritzer. In dem literaturtypisch sportfeindlichen Text des Shooting-Stars geht es ums Wettrennen. Brussigs Helden heißen Mister Kitzelstein und Stasi-Major Wunderlich. Gern kichert das Publikum an lustigen Stellen, etwa wenn von „Fußpilz“ die Rede ist. Peter Ensikat von der „Diestel“ wiederum bemühte sich dem größtenteils westlichen Publikum das Wesen der Brandenburger und Sachsen humorig näherzubringen. „Jeder Schmetterling ist interessanter als das, was ich lese“, hatte er zu Beginn seiner Lesung gesagt. So ähnlich war es auch bei E.W. Heine, der aus seinen „Kille Kille“-Geschichten was vortrug.
Torsten Becker, der vor ein paar Jahren Köln verließ, um Hauptstadtdichter zu werden, schaut lustig erbost auf krakeelende Kinder und grummelt sympathisch-schlechtgelaunt bei seiner Lesung. Eigentlich hatte er noch den Bertelsmannvertreter beleidigen wollen. Ließ er dann doch und las statt dessen Notizen aus seinem Buch „Mitte“. Recht schade fand es Petra Castell, die rührige Moderatorin, daß er nichts Neues vortrug, und wollte den Dichter am Ende noch aus irgendeinem Grund küssen, was der dann doch nicht mit sich machen ließ.
In weißem Hemd und gedankenvoll graumeliertem Bart erzählte der aus Kiew stammende Dichter Alexander Kostinski ein jüdisches Märchen, in dem es um einen sonderlichen Helden ging, der sich gern vom Wind Geschichten erzählen läßt und irgendwann „wie Himbeermarmeladengeruch“ davonfliegt.
Das Sommerfest ist ein Familienfest. Michael Wildenhain, seit Anfang des Jahres von einer Wohnungsbaugesellschaft eher bescheiden gesponserter Stadtschreiber von Hohenschönhausen, hatte seine kleine Tochter mitgebracht; Jan Peter Bremer war mit einem kleinen Mops gekommen, mit dem sich wiederum der sympathische Dichter und Verwaltungsjurist Heiko Michael Hartmann gut verstand. Hartmann erzählte, daß sein Erstlingsroman nun doch nicht bei Eichborn, sondern bei Hanser erscheinen wird und daß seine Verwaltungsjuristenkollegen es ulkig fanden, ihren Kollegen in der Zeitung abgebildet zu sehen. Felicitas Hoppe, die früher viel in der taz schrieb, überlegt sich, Genossenschaftlerin zu werden, und Kollegin Vogel fragt, ob jemand Haschisch dabei hätte. Hat keiner. Also trinken wir Berliner Kindl. Als Stefan Krawczyk abends zu singen begann, war ich schon wieder weg. Detlef Kuhlbrodt
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