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Mit Haribo vor Hungerbildern

■ „Aber das vergißt man ganz schnell“: Schulklassen sehen den „Marsch“

„Wenn wir vor euch stehen, werdet ihr uns nicht sterben lassen“Foto: Archiv

„Ey, Natascha, hast Du noch 'n Bonbon?“ Chipstüten rascheln, Kekse fliegen von einer Sitzreihe zur nächsten. Nur langsam wird es ruhig, als die ersten Bilder über die Leinwand flimmern: Ein Flüchtlingslager im Sudan, Menschenmassen am untersten Existenzminimum. Schule im Kino.

Rappelvoll war es gestern vormittag zur Vorführung des Films „Der Marsch“ im Cinema. Im

hierhin bitte

das Foto mit den

Brathähnchen

Rahmen der „Woche des ökologischen Films“ zeigt die Bremer Umweltberatung Filme zum Thema „Eine Welt für alle“.

Das fordern auch die AfrikanerInnen auf der Leinwand: Nach Europa will ein Zug von einer viertel Million Menschen, die ihre Flüchtlingslager verlassen haben — ihr Motto: Wir sind arm, weil Ihr reich seid — wenn Ihr uns vor Euch seht, werdet Ihr uns

nicht sterben lassen. Bei der EG- Kommission in Brüssel wird derweil über den anwachsenden Marsch verhandelt: „Lassen sie uns diesen Tagespunkt schnell zu Ende bringen, sonst kommen wir in den 5-Uhr-Stau.“

„Mensch, jetzt wird's aber langweilig...“ Immer wieder gibt es Unruhe im Kino. Eine Coladose zischt. Dann eine fingierte Szene im Film: Der europäischen Familie am allzu reich gedeckten Abendbrottisch schaut plötzlich eine wachsende Menge hungriger AfrikanerInnen über die Schulter — das Knistern der Gummibärchentüten hört plötzlich auf.

Der Filmschluß: EG-Sicherheitstruppen stoppen den Marsch an der Grenze zu Europa mit Waffengewalt.

Solche Bilder hat es letztes Jahr im Fernsehen auch schon gegeben — die AlbanerInnen in Italien waren allerdings Realität. Trotzdem: „Ich fühl' mich eigentlich nicht betroffen“, meint Lars (16). „Das ist nun mal so: Hier wollen alle immer mehr haben...“ Daß es anders wird, können sich die Schülerinnen der zehnten Realschul-Klasse des Schulzentrums Habenhausen nicht so recht vorstellen. „Es sagen einfach zu viele, das ist mir egal“, sagt Jennifer (16), „und so isses ja auch: man hat einfach nicht viel damit zu tun.“

„Was soll man als Jugendlicher schon ändern? Das müssen die Politiker tun!“ Jennifer widerspricht Lars heftig: „Wenn sich schon die Jugendlichen dafür nicht interessieren, wer soll es denn sonst mal machen!“

Okay, geben auch Folke (15) und Kai (16) zu, vielleicht beißt man zuerst etwas nachdenklich in das nächste dicke Gyros-Pita, „aber das vergißt man ganz schnell.“ skai

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