■ Mit Güter-Bahntransporten auf du und du: Schneller Rangieren
Berlin (taz) – Mit der unglaublichen Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde zockelt der durchschnittliche Güterwaggon der Bahn AG durch die Republik. Er rollt durchaus schneller – wenn er rollt. Doch zwischendurch verbringt er bis zu 80 Prozent seiner „Fahrtzeit“ auf durchschnittlich sechs verschiedenen Rangierbahnhöfen. Sechs Stunden kann es dauern, bis ein Zug auseinandergepflückt und neu zusammengestellt ist.
Kein Wunder, daß der Lkw- Verkehr viel schneller und damit tendenziell billiger transportiert. Um diese Misere zu beheben, hat der Salzburger Entwickler Gottfried Perdolt ein System zum „vollautomatischen Ein-, Um- und Ausladen von Gütern ohne Anhalten des Zuges“ patentieren lassen. Bis Sonntag stellt er noch auf der Berliner Verkehrsmesse Innotrans das Projekt vor.
Technisches Kernstück von Perdolts Güterumschlagsystem ist die „Ladeleitschiene“. Während der Güterzug langsam durch den Bahnhof rollt, hakt eine neben dem Gleis angebrachte Vorrichtung in den Container ein. Der Frachtbehälter wird vom Waggon heruntergezogen und gleitet auf großen Rollen zu einer Drehscheibe. Diese befördert ihn zu Lkws oder anderen Zügen.
Auch das Aufladen funktioniert automatisch. Im Vorbeifahren zieht der freie Waggon einen Frachtbehälter herauf, der vorher computergesteuert neben dem Gleis bereitgestellt wurde. Die Güterzüge müssen zum Rangieren nicht mehr anhalten. Die Fahrtzeit zwischen den Verteilbahnhöfen könnte sich entscheidend verringern.
Entwickler Perdolt sucht aber noch nach Firmen zur Realisierung seiner Idee. Die Deutsche Bahn AG hat bislang nicht angebissen, wenngleich man bereits seit Jahren über der Problemlösung brütet. Erste Ergebnisse stellte sie ebenfalls auf der Verkehrsmesse vor: Gegenwärtig testet die Bahn ihren „Cargosprinter“. Der Prototyp ist ein kurzer Güterzug mit fünf Wagen und zwei Triebköpfen, der zehn Container transportiert. Die Idee: Die langen Güterzüge mit einer Lok werden in flexible Einheiten zerlegt, die gemeinsam fahren, aber auch unabhängig zu ihren Zielorten gelangen können. Auch der Cargosprinter kann das zeitaufwendige Rangieren auf ein Minimum reduzieren. Hannes Koch
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