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■ Mit Frankreichs Verkehr auf du und duEin Tag autofrei

Paris (taz) – Autofrei war der gestrige Dienstag in Frankreich zwar nicht, aber eine Premiere war er trotzdem: 35 Städte hatten einen Teil ihrer zentralen Straßen für den Kfz-Verkehr geschlossen. In Paris, das gestern so ruhig war wie sonst nur im Ferienmonat August, übernahmen die ansonsten aus Überlebensinteresse defensiven RadfahrerInnen, SkaterInnen und FußgängerInnen die Kontrolle vieler Straßen.

Die grüne Umweltministerin Dominique Voynet, die zu der Aktion aufgefordert hatte, wollte vor allem ein Zeichen setzen: gegen den immer häufigeren Smogalarm in den Großstädten und gegen das Prinzip des tout automobile, das Frankreich binnen der letzten 20 Jahre die Verdoppelung seines Automobilparks auf heute 25 Millionen Vehikel und die Steigerung der Luftverschmutzung um 90 Prozent gebracht hat.

Obgleich von keinerlei staatlichen Druckmitteln unterstützt, fand die Idee Widerhall. Wie schon im vergangenen Jahr, als infolge eines Smogalarmas erstmals nur jedes zweite Auto im Großraum Paris fahren durfte, zeigten die AutofahrerInnen wieder viel Einsicht. Zögerlicher waren die BürgermeisterInnen der Städte. Viele machten nicht mit. Andere verlegten ihren „autofreien“ Tag auf einen Sonntag oder sperrten nur kleine Teile ihrer Innenstädte.

In Frankreich ist das Engagement gegen das tout bagnole populär geworden. 69 Prozent der FranzösInnen wären mit der totalen Sperrung ihrer Innenstädte einverstanden. Parteiübergreifend setzen immer mehr PolitikerInnen, darunter Straßburgs Ex-Bürgermeisterin, die Sozialistin Catherine Trautmann und der neogaullistische Pariser Bürgermeister Jean Tiberi, viel Energie in die Rückgewinnung des städtischen Raums. Die elsässische Hauptstadt hat eine Straßenbahn bekommen, Paris ein wachsendes Radwegenetz und La Rochelle eine Verleihstation für Fahrräder und Elektroautos.

Im Zuge des halbautofreien Dienstages, der im nächstes Jahr wiederholt werden soll, bahnten sich gestern weitere Ideen ihren Weg. Da war einen ganzen Tag lang von Mitfahrgemeinschaften, von Autoteilen und von der Notwendigkeit der öffentlichen Verkehrsmittel die Rede. Paris, das in den 70er Jahren dank Premierminister Georges Pompidou einen Autobahnring und Schnellstraßen auf beiden Seiten der Seine bekam, hat den Rückwärtsgang eingelegt. Dorothea Hahn

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