Mit Fackelzügen gegen Alt-Nazis

Einwohner der dänischen Grenzstadt Kollund protestieren gegen deutsche Alt-Nazis im Ort / Rechtsextreme Schriften werden von Kollund aus nach Deutschland vertrieben  ■ Von Kersten Kampe

Kiel/Kollund (taz) – Wenn die Dämmerung einbricht, erklingen Partisanenlieder aus der Widerstandsbewegung des Zweiten Weltkrieges in den Straßen von Kollund. Das kleine dänische Dorf nahe der deutschen Grenze macht mobil gegen deutsche Alt-Nazis. Seit sieben Tagen treffen sich 35 bis 50 Dänen abends in Kollund zum Demonstrieren. „Nein, wir demonstrieren nicht“, sagt Svend Erik Lassen, Vorsitzender des Bürgervereins. „Wir gehen nur mit unseren Hunden spazieren und singen.“ Dieser Spaziergang führt keineswegs zufällig an den Häusern der deutschen Alt-Nazis Thies Christophersen und Henry Krog Pedersen vorbei.

Seit acht Jahren lebt der 76jährige Christophersen in Kollund und vertreibt von dort aus seine rechtsextremistische Schrift „Die Bauernschaft“ über die Grenze nach Deutschland. Christophersen wird unterstützt durch Henry Krog Pedersen, der ihn aus gemeinsamer Zeit in Auschwitz kennt, und dessen Sohn Hans, der als Arzt in Schleswig-Holstein wegen unethischen Verhaltens nicht mehr praktizieren darf.

Christophersen war 1986 vom Landgericht Flensburg zu einer achtmonatigen Haftstrafe unter anderem wegen des Leugnens der Judenmorde verurteilt worden. Außer dem Vollstreckungshaftbefehl liege in Deutschland ein weiterer Haftbefehl vor, der immer wieder erweitert werde, sagt der Sprecher der Flensburger Staatsanwaltschaft, Thomas Thamm. Vorgeworfen wird dem 76jährigen Christophersen Volksverhetzung und die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Doch aufgrund der liberalen Gesetze in Dänemark wurde er nicht ausgeliefert.

Der Widerstand der Kollunder gegen die Alt-Nazis begann am vergangenen Samstag mit einem Fackelzug von mehr als 2.000 Menschen. „Wir haben Thies Christophersen unterschätzt. Wir haben zuerst gedacht, das ist ein alter blöder Kerl“, erklärt Lassen, warum die Kollunder erst jetzt ihren Unmut gegen die deutschen Rechtsextremen massiv äußern. Erst als immer klarer geworden sei, daß in Kollund ein Nest für deutsche Rechtsextreme aufgebaut werden soll, seien die Bewohner hellhörig geworden, erzählt Lassen. Als Christophersen zwei weitere Häuser im Dorf gemietet habe, „da haben wir uns gefragt, was will dieser alte Kerl mit drei Häusern?“, berichtet Lassen.

Diese Frage war schnell beantwortet, nachdem in dem wenige Kilometer entfernten Dorf Kvaers bekannt wurde, daß einer der Köpfe der in Deutschland verbotenen Nationalen Front, Meinolf Schönborn, eine Druckerei für seine rechtsextreme Propaganda aufbaute.

Die erfolgreiche Vertreibung der jungen Neonazis aus Kvaers vor zwei Wochen und die Gefahr, daß diese sich jetzt in Kollund niederlassen könnten, rüttele die Kollunder wach, meint der Vertreter der dänischen Minderheit im Kieler Landtag, Karl-Otto Meyer. Er unterstützt die Proteste.

„Wir werden so lange singen, bis Christophersen weg ist“, sagt Svend Erik Lassen. Der Ankündigung des ehemaligen SS-Mannes, freiwillig zu gehen, glaubt Lassen allerdings nicht. „Der bleibt, so lange er kann, er hat's doch gut in Dänemark.“ Auch die Staatsanwaltschaft Flensburg schenkt den Worten keinen Glauben. Seine Rückkehr verknüpfte der 76jährige bisher an absurde Bedingungen. Jetzt sind die Kollunder gespannt, was aus der Anzeige des Vorsitzenden des Rechtsausschuß des Folketings, Björn Elmquist, wird. Er hat Christophersen wegen Hetze gegen Minderheiten belangt und beruft sich dabei auf einen Rassismus-Paragraphen im Strafgesetzbuch.

In Kvaers baten die Bürger den alten Justizminister Erling Olsen um eine Verschärfung der Gesetze. In Kollund ist man der Meinung, daß eine Gesetzesänderung nicht sein muß. Die bestehenden Gesetze sollten nur konsequenter angewendet werden.