Missernte: Bauern betteln um Hilfe
Brandenburger Obstbauern beklagen hohe Ernteverluste aufgrund des milden Winters. Für manchen ist es schon die zweite Missernte - jetzt soll das Ministerium eingreifen.
Eigentlich müssten sich die Äste der Bäume in Brandenburg zu dieser Jahreszeit biegen unter der Last des reifen Obstes. Doch dieses Jahr bleiben ganze Plantagen leer. Viele Bauern im Land stöhnen über die schlechte Ernte - manch einer sieht sich sogar in seiner Existenz bedroht.
Am Montag stellen das Statistische Landesamt und der Bauernverband Berlin Brandenburg seine Bilanz für die Erntesaison 2007 vor. Rosig wird sie nicht ausfallen. Denn sowohl bei Pflaumen als auch bei Äpfeln beklagen die Bauern schon jetzt Einbußen von rund 50 Prozent. Schuld daran sind der warme Winter und späte Frostattacken. Während einige Bauern in höheren Lagen vom Frost verschont blieben, müssen andere den Export von Äpfeln jetzt deutlich bremsen oder auf ihre letzten Finanzreserven zurückgreifen. Nur der Endverbraucher merkt vorerst wenig.
Bei der Pflaumenernte wird der Ertrag nach Angaben des Landesamtes für Statistik Berlin Brandenburg bis auf die Hälfte sinken. Wurden im Vorjahr noch 9,6 Tonnen Pflaumen pro Hektar gepflückt, werden es dieses Jahr nur noch 4,7 Tonnen sein. Auch bei den Äpfeln müssen die Obstbauern beträchtliche Verluste hinnehmen. Den Prognosen zufolge wird die Apfelernte um 56 Prozent geringer ausfallen als zum Vorjahr, als noch 24 Tonnen Äpfel erwirtschaftet worden. Gerade mal 10,6 Tonnen erwarten die Bauern für die Apfelernte, die im September beginnt. Ähnlich schlecht sieht es auch bei den Süßkirschen aus. Nur 37 Prozent des gesamten Ertrages konnten im Vergleich zum Vorjahr eingefahren werden.
Das liegt nach Andreas Jende, Geschäftsführer des Landesverbandes Gartenbau Brandenburg vor allem an der warmen Witterung und dem späten Einbruch von Minusgraden. "Der überraschende Frosteinfall hat im April und Mai die Blüten der Bäume stark geschädigt und damit zu hohen Ertragsverlusten bei Pflaumen, Kirschen und Äpfeln geführt." Das einzige, was gegen solch einen Frost getan werden könne, sei Frostschutzberegnung. "Aufgrund der hohen Kosten wird die aber nicht angewendet", sagt Jörg Lübcke, Referatsleiter Gartenbau im Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung.
Die Erntebilanz fällt allerdings sehr unterschiedlich aus: Bauern im Alten Land bei Hamburg oder in Baden rechnen für dieses Jahr mit Rekordernten. Und auch nicht alle Gebiete in Brandenburg sind gleich stark betroffen. "Der angeführte Mittelwert fällt dabei im Havelland deutlich ungünstiger aus als in den Gebieten um Frankfurt Oder." Dabei können auch bei Bauern aus demselben Ort - je nach Höhe der Anbaugebiete - unterschiedlich starke Frostschäden auftreten.
Während so manch Bauernkollege nicht weiß wohin mit den vielen Äpfeln, hat es Manfred Kleinert vom Obstgut Marquardt im Havelland dieses Jahr besonders schlecht getroffen. Er rechnet mit Ertragsausfällen bis zu 70 Prozent. "Wir werden trotz der schwierigen Lage noch genügend Äpfel und Pflaumen für unsere Kunden bereit stellen können", sagt er. Sein Obst verkauft er direkt, seine Kunden kommen meist extra aus Potsdam oder aus Berlin angereist. Für sie, so vermutet Kleinert, wird das Obst dieses Jahr teurer. "In diesem Jahr müssen wir aufgrund der schwierigen Situation Abstriche bei den Exporten machen. Normalerweise haben wir unsere Ware bis nach Holland oder Dänemark gefahren. Jetzt halten wir das Obst für unsere eigenen Kunden zurück".
Für andere Brandenburger Bauern kommt es noch schlimmer: "Einige Obstbauern sind in ihrer Existenz bedroht", beklagt Jürgen Hellwig vom Vorstand der Genossenschaft Bochower Havelobst. "Jetzt haben wir schon die zweite Missernte in Folge und die Finanzdecke wird langsam dünn." In ihrer Not hat sich die Genossenschaft Bochower Havelobst an das zuständige Ministerium gewandt, um auf die katastrophalen Zustände aufmerksam zu machen. Denn " bei fehlenden Einnahmen wird es für uns auch schwierig, die entsprechenden Erntehelfer zu finanzieren."
Für diejenigen, die ihr Obst im Supermarkt kaufen, werden nach Angaben der Zentralen Markt und Preisberichtstelle (ZMP) aber keine Preiserhöhungen zu befürchten sein. "Brandenburg ist nur ein kleiner Apfelanbieter auf dem großen Markt", so Ebert vom ZMP. "Die Großhändler beziehen ihre Obstwaren aus den verschiedensten Regionen und Ländern. Brandenburgs Obsteinbußen fallen dabei gesamtwirschaftlich kaum ins Gewicht."
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