Missbrauchsfall an Grundschule: "Ein Gefühl der Sicherheit geben"
Der Schulpsychologe Klaus Seifried warnt vor Panik. Entscheidend sei es, Ruhe zu bewahren - und den Opfern schnell therapeutische Hilfe zu geben.
taz: Herr Seifried, was ist im Umgang mit Missbrauchsfällen an Schulen wichtig?
Klaus Seifried: Die Ruhe zu bewahren. Durch das Bekanntwerden gravierender Fälle und die Berichterstattung in den Medien werden Ängste bei Eltern und Kindern geschürt.
Brauchen die Schulen mehr Sicherheit?
Auch Videokameras, Eingangskontrollen oder Schließanlagen können keine hundertprozentige Sicherheit geben. Sexualstraftäter finden Wege, um in Kontakt mit Kindern zu kommen – auf Spielplätzen, auf dem Schulweg oder in der Familie selbst. Berliner Schulen sollen ein offener Ort des Lernens bleiben und keine Festungen werden.
Was würden Sie Eltern raten?
Ebenso wie Lehrer sollten sie den Kindern sagen, dass die Schule ein sicherer Ort ist und die Erwachsenen sie beschützen. Wenn sie etwas Verdächtiges beobachten, sollten sie sofort Erwachsene ansprechen und um Hilfe bitten.
Die Polizei hat im Fall des an einer Grundschule missbrauchten Mädchens einen Verdächtigen ermittelt. Der 30-Jährige wurde am Freitag von einem Spezialeinsatzkommando im Wedding festgenommen. Er sei der Polizei bereits bekannt gewesen, sagte ein Polizeisprecher, jedoch nicht aufgrund von Missbrauchsfällen. Eine Funkzellenauswertung am Tatort habe letztlich auf die Spur des Mannes geführt.
Die achtjährige Schülerin war am 1. März auf einer Toilette an der Weddinger Humboldthain-Grundschule schwer missbraucht worden. Die Polizei hatte den Fall jedoch erst in dieser Woche bekannt gemacht. Daraufhin habe es zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, so die Polizei. Die Festnahme sei jedoch unabhängig davon erfolgt. Noch am Freitag sollte der 30-Jährige dem Haftrichter vorgeführt werden. (taz)
Wie können Eltern ihren Kindern im Umgang mit ihrer Angst helfen?
In erster Linie sollten sie den Kindern ein Gefühl der Sicherheit geben. Gleichzeitig können Sie die Kinder altersgerecht auf Gefahren vorbereiten. Das betrifft das Verhalten im Straßenverkehr genauso wie die Gefahr, die von Sexualstraftätern ausgeht. Es ist wichtig, Kindern zu sagen, wie sie sich verhalten sollen, wenn ein fremder Mann sie anspricht oder belästigt. Sie sollten misstrauisch sein, auch wenn der Mann nett ist und ihnen etwas schenken will.
Was können die Schulen in dieser Hinsicht tun?
Auch Lehrerinnen und Lehrer sollten Kinder auf Gefahrensituationen vorbereiten. Das gilt für die Verkehrserziehung ebenso wie für den Umgang mit Mobbing, Gewalt oder sexueller Belästigung. An allen Berliner Schulen gibt es Notfallpläne. Hier steht, was in solchen Gefahrensituationen zu tun ist.
Und wie kann das Umfeld bei der Verarbeitung eines Missbrauchs behilflich sein?
Die Verarbeitung ist bei Kindern sehr unterschiedlich. Manche leiden ihr Leben lang daran. Besonders wichtig ist es, dass die Opfer und ihre Familien schnell therapeutische Hilfe bekommen. Aber auch das Umfeld, die Mitschüler und Lehrer sind häufig stark belastet und brauchen schulpsychologische Unterstützung. Es geht darum, dem Opfer, seiner Familie und der Schule Stabilität zu geben und sie in einen Alltag zurückzuführen.
INTERVIEW
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