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Missbrauchsaffäre beim Schwimm-VerbandWieder nichts gewusst

Ein Trainer des olympischen Schwimmteams steht kommenden Dienstag wegen Missbrauchs vor Gericht. Wie im Fall der Ruderin Drygalla will der DOSB davon nichts gewusst haben.

Dem Deutsche Schwimm-Verband geht es derzeit gar nicht gut Bild: dpa

LONDON dapd | Nach der Affäre um Ruderin Nadja Drygalla ist die Olympia-Mannschaft erneut in die Schlazeilen geraten. Ein 40-jähriger Schwimmtrainer, der mit zu den Spielen nach London gereist war, soll zwischen 2004 und 2006 eine minderjährige Schwimmerin sexuell missbraucht haben. Ab kommenden Dienstag muss er sich deswegen vor dem Schöffengericht in Kiel verantworten.

Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), Michael Vesper, fühlt sich von dem angeklagten Trainer getäuscht. „Wenn uns der Vorfall bekannt gewesen wäre, wäre er nicht mitgenommen worden“, sagte Vesper gegenüber der Nachrichtenagentur dapd am Samstag und fügte hinzu: „Der Trainer hätte uns über das Verfahren gegen ihn auf jeden Fall informieren müssen.“

Der Mann gehörte in London zum Trainerstab der Beckenschwimmer. Er soll sich laut Anklage zwischen August 2004 und März 2006 in 18 Fällen an einer damals minderjährigen Schwimmerin vergangen haben. DOSB-Direktor Vesper habe nach eigenen Angaben am Freitag von dem Fall erfahren. „Wir müssen jetzt abwarten, wie das Gericht entscheiden wird. Ich finde es aber gut, dass die Sache gerichtlich geklärt wird, denn nach meinem Kenntnisstand steht ja Aussage gegen Aussage“, sagte Vesper weiter.

Auch innerhalb des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV) macht sich Unmut breit. Generalsekretär Jürgen Fornoff sagte „Es ist – auf Deutsch gesagt – zum Kotzen, dass so etwas gerade dann auch noch an einem Tag aufkommt, an dem Thomas Lurz Silber gewinnt“, sagte der Generalsekretär des Deutschen Schwimm-Verbands, Jürgen Fornoff. Der DSV ist durch das Debakel der Beckenschwimmer in London ohnehin sportlich gebeutelt. Am Freitagmittag hatte Lurz dem DSV bei seinem zweiten Platz über zehn Kilometer zumindest die erste Medaille beschert.

Aus der Zeitung erfahren

Der DSV wurde am Freitagnachmittag von der Neuen Osnabrücker Zeitung über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Allerdings wurde Anzeige gegen den nicht vorbestraften Trainer bereits im August 2009 erstattet, seitdem liefen die Ermittlungen. Im September 2011 erhob die Staatsanwaltschaft Kiel Anklage. Im Falle einer Verurteilung droht dem Trainer eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren. Die junge Frau soll in dem Prozess als Nebenklägerin auftreten. Bei dem Prozess sind drei Zeugen geladen. Weitere Termine sind nicht angesetzt.

Seit dem Jahr 2000 war der Trainer Übungsleiter in Kiel. Zu einem ersten Übergriff kam es laut Anklageschrift im August 2004 bei einem Training auf Kreta. Bis März 2006 soll der Mann das Betreuungsverhältnis ausgenutzt haben, um die Sportlerin mehrfach zum Sex zu zwingen. Zu physischer Gewalt im Sinne einer Vergewaltigung kam es nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht. Hätte das Betreuungsverhältnis nicht bestanden, wären auch die jetzt erhobenen Vorwürfe strafrechtlich nicht relevant gewesen, heißt es bei der Ermittlungsbehörde.

Der Mann arbeitet mittlerweile für einen Sportverein in Nordrhein-Westfalen. Im Mai wurde er im Zuge der Europameisterschaft im ungarischen Debrecen zum ersten Mal in den Trainerstab des DSV für ein internationales Turnier berufen. In London war er einer von sechs Trainern.

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13 Kommentare

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  • P
    Paul

    Wegsehen ist nicht gut, Vorverurteilungen und Panikmache aber ebensowenig...

  • J
    Jörn

    @D.J. der Beitrag klärt dies. Der Vorwurf lautet, dass er sie zum Sex "überredet" hat. Beim Sex "überredet" so manches Mal einer den anderen und nicht unbedingt nur die Männer die Frauen und das ist per se weder verwerflich noch strafbar.

    In diesem Fall war die Schwimmerin dem Trainer "schutzbefohlen". Er bestimmte grosse Teile ihres Tagesablaufs - welcher hauptsächlich durch das Training geprägt war. Hätte sie ihrem Trainer einen Korb gegeben, hätte sich dies auf ihr Schwimmtraining auswirken können. Um solche Interessenskonflikte und unfreien Entscheidungen zu verhindern, ist es TrainerInnen, LehrerInnen etc. generell verboten Sex mit ihren Schützlingen zu haben. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die Schwimmerin sich überreden hat lassen oder sie die treibende Kraft war und ihn nun aus Enttäuschung anzeigt.

    Menschen, die diese Grenzen nicht einhalten können, sollten weder LehrerInnen noch TrainerInnen sein dürfen.

    Das Vergehen hat jedoch nichts mit Vergewaltigung oder Kindesmissbrauch zu tun. Der Trainer hatte eine länger dauernde strafbare Beziehung mit der Schwimmerin. Dies ist eher vergleichbar mit Inzest zwischen Erwachsenen - einvernehmlich aber verboten.

  • T
    T.V.

    Wir sind Papst, nich wahr? Passt doch wieder mal wunderbar

  • I
    ickzorn

    sexueller Missbrauch klingt hier doch echt zu krass, es scheint ja um einvernehmlichen Sex zu gehen, bei der sie halt Minderjährig war und eventuell ein Schutzverhältnis bestanden hat. das ist doch was komplett anderes als Vergewaltigung, etc... Und dann auch noch so häufig und über so einen langen Zeitraum

    Warum wurde erst 2009 Anzeige erstattet? Weil es mit der Schwimmkarriere doch nichts wurde und jetzt Frustabbau betrieben wird? Eine erfolgreiche Schwimmerin kann das ja nicht sein... Mir tut der Mann leid. Jahre später eventuell dafür bestraft zu werden, dass mal jemand mit einem geschlafen hat... finde ich hart...

  • L
    lowandorder

    "Generalsekretär Jürgen Fornoff sagte „Es ist – auf Deutsch gesagt – zum Kotzen, dass so etwas gerade dann auch noch an einem Tag aufkommt, an dem Thomas Lurz Silber gewinnt“, "

     

    tja - der Mann hat Probleme!

    Aber so sind se, die Damen und Herren Funktionäre:

    ' schnatt, schnatt - die Schande auf unseren Federn.

     

    In der Tat: einfach zum Kotzen - beides.

     

    Ps. und offensichtlich bestand keine Meldepflicht für den Trainer.

    Und - hat er die ganze Zeit weitergewerkelt - und Gehalt bezogen.

    Derartige Fälle sollten wg der fortbestehenden Gefahr für potentielle Opfer zu deren Schutz der MiStra - der Mitteilung in Strafsachen - unterfallen.

  • A
    alex_b

    DVS soll bitte erst mal nachdenken!

    Das Mädchen wollte sicher ein bisschen durchs Becken paddeln, Papi ne geile Zeit hinlegen und sich dann mit seinem Sextrieb ein bisschen belohnen - armer Trainer und jetzt musst du noch vor Gericht.

  • W
    Wastl

    "Zu physischer Gewalt im Sinne einer Vergewaltigung kam es nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht. Hätte das Betreuungsverhältnis nicht bestanden, wären auch die jetzt erhobenen Vorwürfe strafrechtlich nicht relevant gewesen, heißt es bei der Ermittlungsbehörde."

     

    Ok, was gibt es dazu zu sagen? Es wäre also egal ohne Betreuungsverhältnis? Bitte was?

     

    @Boom: richtig!!

     

    Das es Verlockungen am Beckenrand gibt, denen manche autoritäre Persönlichkeit nicht widerstehen kann leuchtet auch ein.

     

    @highks: Na, nicht jede® hat so eine große Klappe wie Du. Manche sind schüchtern und tun was man ihnen sagt (vor allem eine Autoritätsperson). Siehe Ärzte, Politiker oder Sexisten die halt mal dreist behaupten: "na die kleine wird schon nen kurzen Bikini angehabt haben." Erst denken, dann schreiben.

  • B
    Boom

    Krass, wie einige Kommentatoren Missbrauchshandlungen an Minderjährigen verharmlosen. Keiner von euch weiß was sich zugetragen hat. Sie kann durchaus gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen worden sein.

  • H
    highks

    Eine "damals minderjährige Schwimmerin", das heißt doch so viel, dass sie 17 war, im äußersten Fall 16.

    Und war das die Abhängigkeit durch das Trainerverhältnis wirklich so groß, dass er sie zu etwas zwingen konnte?

     

    Ich gehe mal schwer davon aus, dass die Beziehung einverständlich war, aber nachdem Papa was spitzgekriegt hat, war es plötzlich "erzwungen". Vielleicht haben sie sich auch im Streit getrennt, und das ist jetzt ihre Rache dafür.

     

    Diese Szenarien sind jedenfalls wesentlich wahrscheinlicher, als das, was hier wieder hochgekocht wird...

  • MB
    Markus Brandt

    Der DSV ist natürlich eine reine Kindervergewaltigervereinigung. Ich fordere alle Schwimmbäder sofort zu schließen. Alle Trainer gehören ins Gefängnis und Schwimmen muss schnellstens verboten werden. Mir waren die schon immer suspekt. ich verlange lückenlose Aufklärung. Ausserdem muss die staatliche Förderung für diese Kinderschänder sofort eingestellt werden. Es muss ausserdem geprüft werden ob nicht alle deutschen Sportvereine eigentlich Kindesmissbrauch betreiben.... .

     

    So wurde zumindest vor nicht allzu langer Zeit gegen eine andere große Organisation argumentiert. Warum nur hören sich diese Forderungen in diesem Fall nur so überzogen an? Sehr seltsam das ganze.

  • M
    martin

    Wenn man jetzt anfangen würde, kräftig zu recherchiern, dann würde man sicherlich noch einiges mehr finden. Aber warum sollte es im Sport auch ganz anders zugehen, als im Rest der Gesellschaft.

  • D
    D.J.

    "an einer damals minderjährigen Schwimmerin vergangen haben."

     

    Bevor ich mich empöre: Wäre nett gewesen, etwas Genaueres über die Vorwürfe zu erfahren, um sie richtig einorden zu können. Wir leben nicht in den USA oder anderen sexuell extrem repressiven Staaten, wo Sex mit unter 18jährigen per se illegal ist. Handelt es sich um tatsächlichen Missbrauch oder um eine Beziehung zu einer 17jährigen, bei der lediglich das Gesetz greift, da es sich um eine Schutzbefohlene handelte? Da sehe ich einen gewaltigen Unterschied.

  • R
    Rekamedar

    Ein trauriges Bild, das wir mit "unseren" Vertretern bei den olympischen Spielen abgeben !

     

    Wenn dass die einzige Sorge der Sport-Funktionäre ist:

    . ...dass so etwas gerade dann auch noch an einem Tag

    . aufkommt, an dem Thomas Lurz Silber gewinnt

     

    Aber Wegsehen scheint ja eine sehr beliebte Disziplin zu sein, nicht nur bei Olympia...