Missbrauch unter Schiedsrichtern: Als die Hand in die Hose wanderte

Ein Bundesliga-Schiedsrichter beklagt sexuellen Missbrauch durch den inzwischen zurückgetretenen DFB-Oberschiedsrichter. Dessen Frau hat noch ganz andere Geschichten parat.

Der DFB hätte Kempters Anschuldigungen eigentlich diskret behandeln müssen. Bild: dpa

Im Raum steht der Vorwurf der sexuellen Belästigung. Der junge deutsche Bundesligaschiedsrichter Michael Kempter (27) hatte beim DFB angezeigt, er sei sexuell belästigt worden. Beschuldigt hat er Manfred Amerell, den mittlerweile zurückgetretenen Schiedsrichtersprecher des DFB, den großen Förderer der Blitzkarriere Kempters. Amerell selbst bestreitet alle Vorwürfe, die der DFB nach hausinternen Ermittlungen für erwiesen hält. Er spricht von einer engen Freundschaft, die er mit Kempter gepflegt haben soll. Doch der DFB wirft seinem ehemaligen Oberschiedsrichter mehr vor. Insgesamt soll Amerell zehn Schiedsrichter sexuell belästigt haben. Nun trat am Montagnachmittag Margit Amerell, die Frau des Beschuldigten, in einem anderen Münchner Nobelhotel vor die Presse. Es war ihr Auftritt, der die Augenzeugen so ratlos hinterlassen hat.

So manches Medium hatte verbal aufgestöhnt, als Michael Kempter beschrieb, wie die Hand Amerells in seine Hose gewandert ist. Es sind derartige Details, die eine Belästigungsaffäre zu einem Sex-Skandal machen. Doch Margit Amerell lieferte ganz neues Material. Sie gab die Kronzeugin einer Verschwörungstheorie. In der spielt ein weiterer Schiedsrichter eine Hauptrolle.

Der vor zwei Jahren abgetretene Franz-Xaver Wack. Der soll in der Nacht zum Sonntag in aller Herrgottsfrüh vor dem Hotel, das sie mit ihrem Mann in Augsburg betreibt, aufgetaucht sein. "Spatzerl, du weißt gar nicht, was los ist", soll er gesagt haben, und dass der Manfred sich stellen soll. Wack habe gesagt, dass er alles wisse, alle zehn Schiedsrichter, die Amerell beschuldigen, hätten sich Wack anvertraut.

Außerdem kenne er die Akten der DFB-Ermittler. Amerell selbst und sein Anwalt kennen die Akten nicht und schreien jetzt Skandal. Wack sei Teil des "Systems DFB", des "Systems Zwanziger". Manfred Amerell beansprucht die Rolle des Opfers einer Verschwörung gegen ihn.

Der DFB hat aber längst Michael Kempter die Opferrolle zugewiesen. Seit die Vorwürfe öffentlich sind, legt DFB-Präsident Theio Zwanziger beinahe im Wochentakt neue Anschuldigungen gegen Amerell auf den Tisch. Fast wirkt es, als sei der DFB bemüht, Kempter zum Superopfer eines Superbösen zu stilisieren.

Es wird eine Art nachholender Opferschutz betrieben. Eigentlich wäre es die Aufgabe gewesen, Kempters Anschuldigungen diskret zu behandeln. Doch dessen Name kursierte, lange bevor der DFB seine Ermittlungen abgeschlossen hatte. Und die ist, wenn es um Fußball geht, ganz speziell gestrickt. Homophobie ist in den Stadienkurven zu Hause.

Bald soll Michael Kempter wieder pfeifen. Kein Wunder, dass er in seinen Interviews betont, hetereo zu sein.

Theo Zwanziger ist stets bemüht zu versichern, dass ein Profi-Fußballer, der sich als schwul outen würde, mit seiner Unterstützung rechnen kann. Dafür ist er oft gelobt worden. Jetzt steht Zwanziger in der Kritik. Opfer sexueller Übergriffe im Hause DFB dürften es sich in Zukunft gut überlegen, ob sie sich mit ihren Problemen an den Verband wenden. Sie müssen Angst haben, in der Öffentlichkeit gegrillt zu werden.

Ein professioneller Umgang mit derart heiklen Themen ist für einen ehrenamtlich organisierten Großverband wie den DFB mit seinen über die Jahre gepflegten Abhängigkeiten und Gunstbeziehungen beinahe unmöglich. Was viele Trainer fordern, wenn sie sich über eine Fehlentscheidung mokieren, könnte im Zuge des Falles Amerell/Kempter endlich eingeführt werden: Das Berufsschiedsrichterwesen.

Wären die Referees angestellt beim DFB, könnten arbeitsrechtliche Maßstäbe angelegt werden. So wurde vor Verbandsjuristen und hinter verschlossen Türen agiert. Verschwörungstheorien haben es da leicht.

Morgen wird vor dem Landgericht München im betreffenden Falle verhandelt. Manfred Amerell will dem DFB untersagen lassen, von "sexuellen Übergriffen und Belästigungen" zu sprechen. Der Wettstreit, wer nun Opfer und wer Täter ist, wird weiter in aller Öffentlichkeit ausgetragen.

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