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Missachtung von ArbeitsrechtBilliglöhne für Billighosen

In Bangladesch können Arbeiterinnen, die für Lidl, KiK und Aldi Textilien nähen, trotz horrender Überstunden nicht von ihrem Lohn leben. Internationale Standards werden missachtet.

Auf Kosten der Billigarbeiterinnen will Kik bis 2015 von 3.100 auf 4.000 Filialen in Europa wachsen. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Discount-Kette KiK lässt derzeit viel Werbung in deutschen Kinos laufen. Zufriedene Mitarbeiterinnen in roten Hemden betonen, dass sie "wirklich gerne" für den Billig-Textilhändler arbeiten. Solch positive Botschaften stehen im Kontrast zu den neuesten Recherche-Ergebnissen der Kampagne für Saubere Kleidung. Organisatorin Gisela Burckhardt wirft KiK sowie Aldi und Lidl vor, internationales Arbeitsrecht systematisch zu missachten.

Rechercheure der Kampagne haben in Bangladesch zehn Zulieferfabriken untersucht, in denen die deutschen Discount-Ketten Textilien nähen lassen. Oft müssen die meist weiblichen Arbeiterinnen dort zwischen 13 und 15 Stunden täglich arbeiten - sieben Tage pro Woche. Diese Arbeitszeiten und Überstunden sind weit mehr, als die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) erlauben. Dabei reicht der Lohn oft nicht, um in Bangladesch eine Familie zu ernähren.

Ende 2011 befragte das Untersuchungsteam 162 Arbeiter und Arbeiterinnen. Weniger als die Hälfte der Interviewten gab dabei an, überhaupt einen Arbeitsvertrag unterschrieben zu haben. Und nur ein kleiner Teil von ihnen hatte eine Kopie des Vertrages vom Unternehmen erhalten. Schon mit der Kenntnis der eigenen Rechte sieht es also schlecht aus, schlussfolgern die Kritiker. So werden die Regelungen der ILO in den Fabriken regelmäßig gebrochen.

Eigentlich sind pro Woche nur 48 reguläre Arbeitsstunden plus zwölf Überstunden erlaubt. Dagegen liegen die tatsächlichen Arbeitszeiten in den Zulieferfabriken oft drastisch darüber. Vier von zehn Betrieben verlangen zu viele Überstunden. In manchen Firmen gaben die Näherinnen an, bis zu 25 Überstunden pro Woche leisten zu müssen.

50 Euro Gehalt? Reicht nicht

Auch in diesen Betrieben ordern die deutschen Discounter unter anderem Shorts, Jeans, Cordhosen und Arbeitsbekleidung. Teilweise werden die Arbeiterinnen zu den langen Arbeitszeiten gezwungen. Aber sie sind finanziell auch darauf angewiesen, weil die Löhne niedrig liegen. Nur mit Mühe erreichen die Beschäftigten umgerechnet 40 oder 50 Euro pro Monat. Von einem solchen Gehalt jedoch kann eine vierköpfige Familie nicht annähernd leben. Nötig wären 100 bis 200 Euro Monatsverdienst.

"Die Discounter sollen Schritte unternehmen, um die Zahlung eines existenzsichernden Lohnes in ihren Zulieferfabriken zu realisieren", fordert Burckhardt deshalb. Weil diese Kritik seit Jahren anhält, haben Lidl und KiK inzwischen reagiert. Einige Zulieferfabriken bieten Schulungen für Mitarbeiter des Managements an, um die Sozialstandards und die Arbeitssicherheit zu erhöhen. Die Kampagne für Saubere Kleidung erkennt diese Maßnahmen der Handelsketten an, fordert aber, dass sie keine Ausnahmen bleiben und auf die gesamte Zulieferkette ausgedehnt werden.

Die drei Discounter wollten sich bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen äußern. Von der Bundesregierung verlangt Gisela Burckhardt Regelungen, um die deutschen Unternehmen zur Offenlegung der Arbeitsbedingungen im Ausland zu verpflichten.

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15 Kommentare

 / 
  • WW
    Wolf Wagner

    Der Aufsatz ist in sich widersprüchlich: Vorn und in der Zwischenüberschrift "13 bis 15 Stunden Arbeitsstunden täglich - an sieben Tagen pro Woche". Weiter hinten "48 reguläre Arbeitsstunden plus 12 Überstunden erlaubt" Dann weiter: "Vier von zehn Betrieben verlangen zu viele Überstunden. In manchen Firmen geben die Näherinnen an, bis zu 25 Überstunden pro Woche leisten zu müssen." Das wären 73 Stunden pro Woche. Durch sieben Tage ergibt ein wenig über 10 Stunden pro Tag. Also dürften die als "oft" bezeichneten 13 bis 15 Stunden die große Ausnahme sein.

    Die Arbeitsbedingungen in Bangladesh sind sich auch ohne solche Übertreibungen schrecklich genug. Unglaubwürdige Übertreibungen dieser Art hier sind unseriöser Journalismus, auch wenn man für die Armen und Unterdrückten Partei ergreifen will. Sie schaden der Sache mehr als sie nutzen.

  • L
    Links

    Es macht mich betroffen, weil auch ich ab und zu bei ALDI Textilien kaufe.

    ABER auch bei uns reicht ein Verdienst nicht aus, vier Personen satt zu machen, geschweige denn kostenpflichtige gesellschaftliche Angebote wahrzunehmen.

    Wir sind Eltern mit qualifizierter Ausbildung. Da redet bei uns die Politik von Mindestlöhnen die reichen doch hinten und vorne nicht - natürlich, ein Tropfen auf den ... Was wird aus uns im Rentenalter? Ich wage nicht daran zu denken. Wir steigen vom unterbezahlten Hilfsjob ins Grab

  • M
    michael

    @Tushaye: dein Kommentar setzt an der falschen stelle an;

     

    du nimmst die discounter aus der verantwortung, weil angeblich bedarf an solch billiger ware bestünde.

    tatsächlich entsteht dieser bedarf, geweckt duch niedriglöhne, aber erst aus dem verhalten der discounter heraus. denn

    1. in deutschland: sind sie diejenigen, die zu niedrige löhne zahlen, ergo müssen die löhne aufgestockt werden.

    2. die löhne werden nur sowenig aufgestockt / überhaupt so tief berechnet, weil es ein angebot an ->billigen

  • D
    Dhimmitry

    "Wer einen Pullover für 1,99€ kauft, MUSS wissen, dass dieser Pulllover nicht unter halbwegs annehmbaren Bedingungen herstellt worden sein kann."

     

    Der Spruch ist alt und sicher wahr. Das Problme ist, dass man sich nicht sicher sein kann, dass ein Markenpulli für 40 Euro unter anständigen Bedingungen hergestellt wurde. Wenn das Geld bei den Arbeitern ankommt zahle ich gerne mehr, wenn das aber bei einer Werbeagentur und den Anteilseignern landet, dann nicht...

  • F
    felix

    Tushaye schreibt:

     

    "Oder es gäbe einen Aufstand, weil Niedriglöhner dann kaum noch etwas einkaufen könnten."

     

    finnel ergänzt dies in seinem Kommentar.

     

     

    Ja, ist das denn ein Problem? Wenn sich Menschen erheben, die sich nicht mehr ernähren, kleiden und pflegen können, da ihnen die finanzielle Basis dafür fehlt - weil das Geld an anderer Stelle, in anderen Taschen sich sammelt.

     

    Für ein gesetzliches Verbot von "BILLIG-KRAM"!!!

  • M
    Manfred

    @Wolfgang Schmidt

    Das machen wir, aber was machen 98 Prozent der Deutschen Gesellschaft? Ja, die gehen zu ALDI, Kik etc. auch weiterhin. Da es heute kaum noch Leute gibt, die sich wirklich vor Supermärkte stellen und dort protestieren, passiert wahrscheinlich nicht viel.

     

    Vor 30 Jahren haben sich Freunde vor Supermärkte gestellt und die Kunden über Waren aus Südafrika aufgeklärt, das hat was gebracht, weil viele Leute eben nicht wußten, unter welchen Konditionen solche Produkte hergestell wurden. Aber geh heute mal zu diesen Discountern und kläre die Leute über die Arbeitsbedingungen in Farmen in Israel z.B. auf. Du bist sofort ein Antisemit etc.

     

    Es ist eben leider viel schwieriger geworden heute. Und der Einzelhandelt trickst auch viel herum, viele Produkte sind nicht aus den angegeben Ländern, sondern mit Teilprodukten verschnitten etc. Die Ettiketten sind Mini und für mich zum größten Teil gar nicht lesbar. Und unsere Regierung will ja, dass Griechenland bald wieder in so einer Ausbeuterliga gegen Bangla-Desh antritt ...

  • F
    finnel

    hallo,

    menen vorredner gebe ich uneingeschränkt recht.

    aber... die andere seite.

    wer kauft denn bei kik und co? die superreichen? nein, es sind die, die selber den cent 3 mal umdrehen müssen. es ist einfach zu verlangen, "kauft nicht billig", wenn deinem kind 1 von 2 hosen bald vom hintern fällt weil eine allein erziehende mutter mit ihren minigehalt selber nicht auskommt. da ist ein problem in indien nicht mehr dein problem.

    grüße

    finnel

  • PB
    Paddy Bauer

    Wichtig ist jetzt vor allem, dass die unabhängige Presse an weiterer Recherche dran bleibt und die Unternehmen konstant anfragt. Nur durch Öffentlichmachung und Druck kann dort was geändert werden.

  • N
    never-no

    Reicher Mann und

    armer Mann

    standen da und

    sah’n sich an

    Und der Arme

    sagte bleich:

    Wär ich nicht arm,

    wärst du nicht reich.

     

    Bertolt Brecht

     

    es klingt höhnisch, dass dieser bericht für eine schlagzeile sorgt. haben wir doch hierzulande die gleichen verhältnisse. viele menschen verdienen nicht genug um für sich selbst zu sorgen, geschweige denn eine ganze familie zu ernähren. gerade frauen mit kindern werden hierzulande sklavisch ausgebeutet. voller kräfteeinsatz bei minimalem lohn - dafür maximale gewinnausbeute für die unternehmemer und der staat hilft kräftig mit. durch hartz 4 subventioniert er unternehmen und unterstützt die lohnspirale nach unten.

  • WS
    Wolfgang Schmidt

    Diese verfluchten Ausbeuter fördern mit ihren Dumpingpreisen, Dumpinglöhne und moderne Sklavenarbeit.

    Das Wort "Verantwortung" und "Menschenrechte" kennen die Vorstände von Lidl, KiK und Aldi anscheinend nicht.

    Wenn sie wollten, wären sie natürlich in der Lage, von ihren Zulieferern und Herstellern Mindestlöhne zu verlangen, sonst wird ganz einfach woanders produziert.

     

    Ob die Aldi-Brüder den aktuellen Zustand gut gefunden oder zugelassen hätten, wäre interessant zu wissen. Wenn ja, würde einmal mehr deutlich wie sehr Reichtum stinken kann. Pfui.

     

    Geeignete Protestform: nicht mehr bei Lidl, KiK und Aldi einkaufen!

  • S
    Siegfried

    Der Autor dieses Artikels hat noch eine ganz wichtige Info vergessen:

    ....Ein weiteres Problem sind .. sexuelle Übergriffe auf Näherinnen: "Besonders in den Nachtschichten werden die Arbeiterinnen belästigt, diskriminiert und gedemütigt. Aufseher bedrängen sie mit sexuellen Angeboten." In einer der untersuchten Fabriken komme es "regelmäßig zu verbalen, körperlichen und sexuellen Übergriffen" (Auszug aus dem Spiegel).

  • T
    Tushaye

    Lidl, KiK und Aldi haben keine andere Wahl. Der Niedriglohnsektor in Deutschland ufert immer weiter aus. Es gibt jetzt schon genug Vollzeit-Berufstätige in Deutschland, die mit Hartz IV aufstocken müssen. Damit deren Lage nicht noch schlimmer wird, müssen die Discounter dafür sorgen, dass es für die deutschen Niedriglöhner erschwingliche Konsumartikel gibt. Wenn die das nicht tun würden, dann würde der deutsche Binnenmarkt zusammenbrechen, weil sich viele dann überhaupt nichts mehr leisten könnten. Oder es gäbe einen Aufstand, weil Niedriglöhner dann kaum noch etwas einkaufen könnten.

  • O
    olaf

    nicht nur die discounter lassen unter solchen bedingungen ihre schäbigen klamotten herstellen - auch für teure marken (adidas un co) werden die arbeiterinnen ausgebeutet.

    nur bei diesen sogenannten edelklamotten ist die gewinnspanne höher!

  • R
    reblek

    "Billiglöhne für Billighosen" - Werte ÖkonomInnen: "Billig" ist eine Ware. Ein Lohn ist keine Ware, sondern, wenn mensch Marx folgen will, selbst der Preis für eine Ware, nämlich die Arbeitskraft. Deshalb ist ein Lohn nicht "billig/teuer", sondern "niedrig/hoch". (1. Semester?)

  • K
    Kaboom

    Wer einen Pullover für 1,99€ kauft, MUSS wissen, dass dieser Pulllover nicht unter halbwegs annehmbaren Bedingungen herstellt worden sein kann. Ein solcher Preis beruht auf der Ausbeutung der Leute, die den Pullover hergestellt haben.

    Bei KIK und LIDL kommt ja bekanntlich noch die Abzocke der Arbeitnehmer hier in D dazu.

    Und auch die Lösung ist einfach: Bei Unternehmen, die zu solchen Bedingungen Güter produzieren lassen, kauft man nicht. Man sollte einfach einen weiten Bogen um Läden dieser Ketten machen. Und nach wie vor ist richtig, was F.D. Roosevelt 1930 gesagt hat:

     

    "Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben."