Miss Universe: Model mit 81 Jahren
Choi Soon Hwa trat im Wettbewerb zur Miss Universe Südkorea gegen 31 Frauen an. Am Ende gewann die 22-jährige Modestudentin Han Ariel.
Ihre Geschichte spiegelt auf geradezu prototypische Weise die Turbulenzen und Errungenschaften der südkoreanischen Nachkriegsgesellschaft wider: ein Volk, das aus bitterer Armut zur führenden Tech-Nation emporstieg, das sich seine Demokratie mit blutigen Demonstrationen erkämpfte – und erst im achten Jahrzehnt so etwas wie inneren Frieden findet. „Ich bin in einer sehr harten Zeit geboren und aufgewachsen, und ich habe immer noch die Kraft zu kämpfen“, sagt Choi in einem aktuellen Interview.
Als Choi Soon-hwa 1943 in der südlichen Küstenstadt Masan geboren wurde, war die koreanische Halbinsel noch von der japanischen Kolonialmacht besetzt. Ihre Kindheit verbrachte sie in den vom Koreakrieg hinterlassenen Trümmern (1950–1953). Als junge Frau arbeitete sie zunächst in Textilfabriken, in denen damals Hunderttausende Südkoreanerinnen unter teils unmenschlichen Bedingungen für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft schufteten.
Dann profitierte auch sie vom wirtschaftlichen Aufstieg des Landes: Als Krankenpflegerin konnte sie sich, mittlerweile von ihrem Ehemann geschieden, auf eine solide Rente freuen. Doch dann lieh sie einer Person aus ihrem Umfeld, der sich als Betrüger entpuppte, ihr gesamtes Vermögen und stürzte sich und ihre Kinder damit in tiefe Schulden. Mit 68 Jahren verlor Choi Soon-hwa über Nacht ihre Existenz.
Eine Obsession rund um Kosmetik
Als freischaffende Pflegerin – sieben Tage die Woche – brachte sie ausgerechnet eine Patientin auf die obskure Idee, es als Model zu probieren. Und plötzlich war ihr Jugendtraum wieder präsent: Im Kino hatte sie die Hollywood-Diven mit ihren glamourösen Kleidern angehimmelt. Mit 72 Jahren stellte Choi sich bei einer Model-Schule vor. Es dauerte Jahre, bis die ersten Aufträge kamen. 2018 debütierte sie bei der Seoul Fashion Week, wenig später folgten Werbe-Shootings und Magazin-Cover. Längst wird die Seniorin in südkoreanischen Medien als „Legende“ bezeichnet.
Dass ihr eine solche Karriere gelungen ist, sagt viel aus über die südkoreanische Gesellschaft. Traditionell ist diese zutiefst von konfuzianischen Werten geprägt. Dass Alter respektiert wird, galt lange Zeit als oberstes moralisches Gebot. Doch im Zuge der Modernisierung ist dies längst nicht mehr der Fall. Es gibt wohl kaum eine Gesellschaft, die derart stark auf Jugendlichkeit fokussiert ist: Man sieht dies an der riesigen Industrie für Schönheitschirurgie, aber auch der Obsession rund um Kosmetik. Choi Soon-hwa hat ihren Landsleuten nun aufgezeigt, dass Schönheit längst nicht rein vom Alter abhängt.
Noch im vergangenen Jahr durften am Miss-Universe-Wettbewerb nur unverheiratete Frauen von 18 bis 28 Jahren teilnehmen. Dann wurde die antiquierte Regel gelockert. Am Ende musste sich Choi Soon-hwa zwar gegen die 22-jährige Modestudentin Han Ariel geschlagen geben. Sie wird im November zum Miss-Universe-Hauptwettbewerb nach Mexiko reisen.
Doch ihrem Optimismus tat dies keinen Abbruch. Gleichaltrigen gab sie kürzlich in der Washington Times den Ratschlag: „Finden Sie, bevor Sie sterben, heraus, was Sie in Ihrer Jugend wirklich hätten tun wollen. Finden Sie Ihr Juwel. Dann werden Sie eine unbegrenzte Quelle positiver Energie finden, in die Sie Ihre Ausdauer und Gesundheit stecken können.“
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