Mirco Keilberth über die Nato, den Kampf gegen IS und Schmuggler: Nordafrika an Bord holen
Auf dem Nato-Gipfel in Warschau werden die Weichen für eine große Mittelmeerblockade gelegt. Waffen für die libysche Einheitsregierung und die Ausbildung von tunesischen und libyschen Soldaten sollen folgen. Die gut gemeinte Hilfe zeugt von einem Realitätsverlust über die Dimension der Krise in Nordafrika und der Sahara, wo die Entstaatlichung von Libyen aus immer größere Gebiete erfasst.
Aufgrund der massiv gestiegenen Zahlen von Migranten und der Expansion des IS müssen schnelle Erfolgsmeldungen her. Doch mit Schnellschüssen werden nicht die Ursachen der Krise bekämpft, die schon bald das 40-Millionen-Einwohner-Land Algerien treffen könnte.
Statt sich in Libyen auf den beschwerlichen Aufbau staatlicher Strukturen auf der noch funktionierenden lokalen Ebene zu konzentrieren, kooperieren Nato und EU jetzt mit Milizen, denen die UN-Mission in Geheimverhandlungen die Unterstützung der Einheitsregierung abgerungen hat. Der Preis ist hoch und wird wie in Westafrika zur Folge haben: Verzicht auf Strafverfolgung. Einige Kommandeure sollten statt am Verhandlungstisch vor dem Strafgerichtshof in Den Haag sitzen.
Doch das Schreckgespenst „Islamischer Staat“ (IS) macht sie zu Partnern von EU und Nato. Rein militärische Projekte werden jedoch weder Schmuggler noch den IS stoppen. Die Blockade der libysch-tunesischen Grenze oder der 2.000 Kilometer langen Mittelmeerküste lässt sich nur zusammen mit einem gleichzeitigen Jobprogramm für die Bevölkerung durchsetzen, für die der Schmuggel die zurzeit einzige Einkommensquelle darstellt.
Europa darf das Demokratieprojekt in Nordafrika nicht aufgeben. Arbeitsplätze, Zivilgesellschaft und lokale Verwaltungen sind scharfe Waffen gegen die Entstaatlichung. Schmuggler und die Extremisten können nur aus den Gesellschaften heraus besiegt werden. Europa hilft am besten, wenn es zeigt, auf wessen Seite es steht.
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