piwik no script img

Ministerpräsident unter DruckOettinger zerrt an der Seilschaft

Ein Netzwerk aus Aufstiegswilligen hat Baden-Württembergs Ministerpräsidenten einst an die Spitze geführt. Nun versuchen ihn Freunde zu stützen.

Wie gut sein Netz funktioniert, zeigte sich beim Landesparteitag: Günther Oettinger Bild: dpa

Südöstlich von Stuttgart, oben auf dem Reitzenstein, amtierte Ministerpräsident Erwin Teufel. Unten im Talkessel der baden-württembergischen Landeshauptstadt führte Günther H. Oettinger die CDU-Fraktion im Landtag. Wenn man unten sitzt, kommt man schnell auf die Idee, dass es oben viel schöner ist. So machte sich Oettinger an den Aufstieg. Seit 2005 sitzt er oben.

Ob er nun abstürzt, hängt davon ab, ob eine Enthüllung von Substanz an ihm reißt. Seine Vorgänger Hans Filbinger und Lothar Späth waren am Ende, als der öffentliche Druck zu hoch wurde. Die CDU hielt die Treue - wenigstens offiziell. Aber zum Geschäft gehört auch das ständige Zählen der Verbündeten. Noch hat Oettinger welche.

Er kann sie brauchen. Unter ihm brodelt eine Gerüchteküche über seine zerbrochene Ehe und seine Abendgestaltung. Die Frage, ob er auf Mallorca einen aus Stuttgart geflohenen, italienischen Pleitewirt getroffen hat, macht stern.de zur großen Nummer. Eigentlich dürfte die Geschichten nicht so zugkräftig sein, aber unter ihnen läuft ein Subtext, ein Unwohlsein über einen Ministerpräsidenten, der keine Grundlinien seiner Politik vermitteln kann und in Krisen als Pannenoetti auftritt.

In diesen Tagen helfen ihm seine Verbündeten, eine Seilschaft, die sich zusammenfand, um aufzusteigen auf den Reitzenstein, den Sitz der Regierungszentrale. Oettinger bildete den Mittelpunkt beim Aufstieg, mal schritt der eine voran, mal der andere. Er versprach Jobs, knüpfte Loyalitäten, spann Abhängigkeiten. So kamen sie gemeinsam hoch. Jetzt, wo er taumelt, halten sie ihn. "Medienkampagne auf unwürdigstem Niveau", schimpfte zum Beispiel Peter Hauck in der Südwestpresse. Er verdankt Oettinger den Job als Landwirtschaftsminister.

Oettingers Leute in der CDU fragen, wo denn bitte die Fakten seien. Das Privatleben, empören sie sich, dürfe kein Politikum sein. Andere aus der Union fragen sich allerdings, wieso er dann Bild und BamS mit Interviews zum Privatleben füttert. "Er machte sich selbst zum Freiwild", höhnte die streng katholische Schwäbische Zeitung.

Oettingers Leute verweisen auf die Erfolge: Baden-Württemberg ist reich, hat die bundesweit niedrigste Arbeitslosenquote und stellt vier von neun Elite-Universitäten in Deutschland. Was ist dagegen schon ein BamS-Foto, auf dem der Landesvater eine Brille aus Teesieben trägt? Wird nicht jeder Christdemokrat mal zum Schunkeln aufgefordert?

In der Zeit, als er den Reitzenstein hochkletterte, hat der Ministerpräsident einflussreiche Posten besetzt. Sein Staatsminister Willi Stächele führt die CDU-Südbaden an, einen der vier einflussreichen Bezirksverbände. Bundesratsminister Wolfgang Reinhart lenkt die Nordwürttemberger - er hofft, dass Oettinger ihm Loyalität mit einem richtigen Ministerium dankt. Innenminister Heribert Rech, der die Nordbadener anführt, ist zwar kein Vasall, kann aber gut mit dem MP. Einzig der Bundestagsabgeordnete Andreas Schockenhoff aus Württemberg-Hohenzollern wird eher dem Kreis um Unionsfraktionschef Volker Kauder zugerechnet, der aus Baden-Württemberg kommt und Oettinger nicht gerade schätzt. Landes-Generalsekretär Thomas Strobl ist auch ein Oettinger-Mann, doch er werkelt an einem eigenen Profil und genießt sogar unter Teufel-Leuten Ansehen.

Wie gut Oettingers Netz noch funktioniert, zeigte sich vor einigen Wochen auf dem Landesparteitag in Freiburg. Stefan Mappus, Landtagsfraktionschef und Rivale des Regierungschefs, ließen sie bei der Nominierung für den Bundesparteitag durchfallen. Der 41-Jährige war blamiert.

Oettingers Seilschaft wird ihn nur halten, bis für die anderen der Zug zu stark wird. Das prüft jeder Einzelne. In ihre Verteidigungsreden mischen sich zuweilen Merkwürdigkeiten. Wie man nur immer darauf komme, hat einer diese Woche gefragt, dass er so ein enger Weggefährte Günther Oettingers sei. Irgendwie klang das nach Ausklinken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!