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Minister machen DruckDaten lieber gleich speichern

Die Innenminister wollen schnell wieder Daten auf Vorrat speichern. Die von der Justizministerin bevorzugte anlassbezogene Nutzung von Daten finden sie unbrauchbar.

"Privatsphäre ist kein Verbrechen". Nicht alle sind von der Vorratsdatenspeicherung so begeistert wie die Innenminister der Länder. Bild: dapd

FREIBURG taz | Der Druck auf Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wächst. Am Freitag forderte die Innenministerkonferenz einhellig die schnelle Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Das von Leutheusser-Schnarrenberger favorisierte "Quick Freeze"-Verfahren sei "keine Alternative", so die Innenminister, die allesamt der Union oder der SPD angehören.

Seit März spielt die Justizministerin auf Zeit. Damals beanstandete das Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung und erklärte dieses für nichtig. Seitdem müssen die Telefonfirmen nicht mehr sechs Monate lang speichern, wer wann mit wem telefoniert hat. Und die Internetfirmen müssen nicht mehr festhalten, wer wem eine E-Mail schrieb und sich wann ins Internet einwählte. Überdies ordnete das Gericht die Löschung aller bisher gespeicherten Daten an.

Allerdings sieht eine EU-Richtlinie von 2007 vor, dass alle 27 EU-Staaten die Vorratsdatenspeicherung einführen müssen. Deshalb erwartet die Innenministerkonferenz nun von Leutheusser-Schnarrenberger, dass sie "zügig" einen Gesetzentwurf vorlegt. Um Zeit zu gewinnen, verweise sie bisher auf eine Überprüfung der EU-Richtlinie. Da sich aber abzeichnet, dass diese Evaluierung auf EU-Ebene noch Monate dauern wird, geht Leutheusser-Schnarrenberger jetzt dazu über, konkrete Vorschläge zu machen.

"Wir arbeiten an einer anlassbezogenen Nutzung von Verbindungsdaten", sagte die Ministerin der Süddeutschen Zeitung. Bei diesem Quick-Freeze-Verfahren soll die Polizei im Verdachtsfall anordnen können, dass vorhandene Verbindungsdaten eingefroren, also nicht gelöscht werden. Ein Richter würde dann entscheiden, ob die Polizei die sichergestellten Daten nutzen darf. Ob bereits ein Gesetzentwurf vorbereitet wird, wollte das Justizministerium der taz nicht beantworten.

Die Innenminister halten das Quick-Freeze-Verfahren für untauglich. "Da Straftaten in der Regel erst im Nachhinein bekannt werden, können nicht vorhandene Daten auch nicht mehr eingefroren werden und sind damit dauerhaft verloren", heißt es in einer Erklärung der IMK.

Der Hamburger Innensenator Heino Vahldiek (CDU) verband die Forderung nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich mit der aktuellen Terrorwarnung. "Wenn wir jemand festnehmen, der einen Anschlag plante, und dann können wir nicht feststellen, mit wem er in den Wochen zuvor kommuniziert hat, dann wäre das für die Sicherheitsbehörden ein Albtraum."

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13 Kommentare

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  • HM
    Hermann Mahr

    Falsches Deutsch bei dem Wort "Voratsdatenspeicherung", was mich sehr an die bekannte "vierstöckige Hausbesitzerstochter" erinnert. Es werden ja keine "Vorratsdaten gespeichert", sondern Daten auf Vorrat.

    In korrekter deutscher Sprache müßte es heißen "Datenvoratsspeicherung"

  • H
    Hermeneut

    Ich stimme euch allen von Herzen zu. Wie lange sollen wir dieses Possenspiel des penetrant postulierten Terrors noch ertragen? Seit wenigstens dem 09.11.2001 hämmert diese Propagandamasche ständig auf uns ein. Überall lauert angeblich AlQuaida und eigentlich doch nur eine Fata Morgana. Der einzig wahre Grund für die Vorratsdatenspeicherung besteht natürlich ausschließlich in dem Ziel, eine bequeme Überwachungsinfrastruktur zu installieren. Alles andere sind so fadenscheinige Vorwände, wie der europäische Haftbefehl gegen J.A.. Straftäter und Terroristen werden in den meisten Fällen nicht so stupid sein, fette brauchbare Spuren im Netz zu hinterlassen. Ich kann es auch nur pausenlos wiederholen. Der eigentlichen Terrorismus kommt von "oben". Wer die kranken Pläne einiger selbstherrlicher Mächtiger nachvollziehen will, dem empfehle ich nach wie vor ein kurzes Studium dieses altbekannten Pamphlets, dessen Herkunft sich unschwer im Netz finden lässt.

  • RJ
    Ralf Josephy

    Nun erst wenn es Verdachtsmomemente gibt soll eine Überwachung stattfinden. Dies ist im Sinne der Rechtsprechung zum "Grossen Lauschangriff". Ich weise allerdings darauf hin, dass der Grosse Lauschangriff Contentbezogen ist, der dabei anfallende Mini Vorrat ist dagegen nebensächlich. Ich verweise hier auf die Programmpakete Bundes Autonomy und den Crypt Sniffer. Mit diesen Programmpaketen soll sichergestellt, dass das Lauschen eingeschränkt wird. Der Staatsanwalt wird teil des Berechtigungssystems. Ich frage die Mitleser, welche Konsequenzen sonst aus der Telekom Affäre folgen.

  • G
    gelderlander

    Frage: Warum VDS?

     

    Nein, es geht dabei nicht um Terroristen und Verbrecherjagd, denn die funktionierte Jahrzehnte auch iohne VDS.

    Ausserdem gibt es auch die Möglichkeit Telefone, selbst Mobiltelefone, abzuhören.

     

    Es geht einzig und allein darum, Kompromate zu sammeln. Mit diesen kann man dann wunderbar Leute unter Druck setzen. Das hat bereits das MfS demonstriert und der BND wirds auch schon immer so gemacht haben.

     

    Auch bei der Internetzensur, die unter anderem namen immer wieder ins Feld geführt wird, geht es nicht darum, kinderpornos zu bekämpfen, sondern darum, das www zu zensieren um unliebsame - Kritische - Inhalte zu filtern.

     

    Kurzum: Die Regierung will die demokratie und die Bürgerrechte endgültig abschaffen.

  • A
    asdf

    "Wenn wir jemand festnehmen, der einen Anschlag plante, und dann können wir nicht feststellen, mit wem er in den Wochen zuvor kommuniziert hat, dann wäre das für die Sicherheitsbehörden ein Albtraum."

    Also eine Festnahme wegen Verbindungsdaten alleine ist eine sehr wakelige Sache, bringt hier also auch nichts.

  • J
    jps-mm

    Entwarnung erst nach 27 Stunden

     

    In der ursprünglichen BKA-Information war von einem "Zünder" die Rede gewesen. Ob wirklich so einer im Koffer war, ist mittlerweile zweifelhaft. Jedenfalls zündete die Meldung darüber in einer aufgeladenen Sicherheitslage, weil der Minister am Tag zuvor erstmals eine Terrorwarnung publiziert hatte. Die "Windhuk-Bombe" war quasi ein Beleg für die Richtigkeit der Warnung. Zwar hatte das eine mit dem anderen gar nichts zu tun - aber es schien so, als käme den Sicherheitsbehörden der zeitliche Zusammenhang nicht ungelegen. Der Minister brauchte jedenfalls sehr lange, bis er Entwarnung gab - er tat das erst nach mehr als 27 Stunden. So lange blieb die Bombe in der Schwebe, genauso lange, wie die Innenministerkonferenz dauerte. Zu deren Abschluss freilich war der Minister wieder besonnen wie eh und je; er warnte davor, die angespannte Sicherheitslage auszunutzen, um so angeblich bessere Argumente für Gesetzesänderungen zu haben. Die Lage dürfe nicht "instrumentalisiert" werden. Die angebliche Bombe war da freilich schon umfassend instrumentalisiert worden - jedenfalls in ihrer medialen Beschreibung.

     

    http://www.sueddeutsche.de/politik/innenminister-zu-terrorgefahr-de-maizire-an-der-orgel-der-angst-1.1026195-2

  • J
    jps-mm

    "Angriff unglaubwürdig"

    "Ein Angriff auf den Reichstag ist völlig unglaubwürdig", erklärt ZDF-Terrorismusexperte Elmar Theveßen. Schließlich sei er eines der bestgeschützten Gebäude in Deutschland. "Jeder Überfall würde schon im Außenbereich scheitern. Insofern handelt es sich vielleicht um ein Ablenkungsmanöver oder um den einfachen Versuch, Ängste zu schüren."

     

    http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/15/0,3672,8141103,00.html

  • A
    antgum

    UUUAAAAh

    Bitte nicht schon wieder.

     

    Bin ich der Einzige, für den dieses bizzare Terror-Trullalla eine besonders schrägkomische Form der Unterhaltung darstellt.

     

    Selbst wenn es knallt........ Na und -sage ich.

    Sollte es mich treffen, auch wenn es extrem unwahrscheinlich ist, habe ich einfach Pech gehabt.

    Das wars dann aber auch schon.

    Angst? *ROFL* Vor was?

    Sicher, meine Kinder, meine Familie würden aller

    Wahrscheinlichkeit sehr traurig darüber sein.

    Würde es sie treffen, sie und mich, ist das alles

    andere als schön. Aber sonst?

    Wieso soll ich wegen diesem Gekaspere Angst haben?

    Schaut euch die Statistiken zu Todesursachen an.

     

     

    Ist wohl nur meine Natur.

    Aber ich verstehe es nicht -seit 9 Jahren dieser

    Schwachsinn. "War on terror", Folter, Gewalt, Überwachung, Repression, (Kriegs-)Tote ........

     

    Muss man so sozialisiert worden sein, dementsprechende Posten besetzen um das so gut zu finden.

     

    Ich persönlich lache mich so richtig weg, wenn Radikalislamisten Glauben mit Gewalt verbreiten wollen. Wenn Geministere ihrer ängstliche Klientel

    Wachsamkeit auf dem Weihnachtsmarkt predigt.

     

    Um es richtig einzuordnen: Wollen hier irgendwelche

    "Terrorspasten"(Verzeihung liebe taz,das Idiom "spasten" ist Allgemeingut und gegen PoliticalCorrectness bin ich allergisch) Gewalt im Namen des Glaubens verbreiten, sollen und dürfen

    die Dienste ihre gute Arbeit machen.

    Aber bitte nicht auf Kosten von Freiheit, Offenheit und Angstfreiheit einer Gesellschaft.

  • V
    vantast

    Sicher, dann wäre der Anschlag mit dem "Testkoffer" früher entdeckt worden und die ganze BRD hätte nicht unnötig erschreckt werden müssen.

    Bedauerlich, daß sogar die ganze eu vom Terrorwahn befallen ist. Erinnert irgenwie an RAF-Zeiten. Nur die Frage, weshalb die Terroristen so haßerfüllt den Westen bekämpfen, ist immer noch ungeklärt. Vermutlich bildet das rücksichtslose und arrogante Verhalten des Westens die Grundlage des Zorns, es stehen immer noch ungläubige Soldaten auf heiligem Boden.

  • R
    Ralph

    Man sende seine Nachrichten zu einem Server nach Asien, der sende die Nachricht weiter zu einem Server nach Südamerika, der sende die Nachricht weiter zum Empfänger. Proxy-Server gibt es umsonst im Netz, eigene Server kosten auch nur ein paar Euro im Monat, Datenflatrates gibt es beim Discounter. Schon haben wir mobile Echtzeitkommunikation die die Vorratsdatenspeicherung umgeht. Für den Preis eines durchschnittlichen DSL-Anschlusses und mit rudimentären technischen Kenntnissen.

     

    Den Politikern wird es aber um den "Beifang", also die vielfältigen, zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten gehen. Die werden leicht durchzusetzen sein, wenn die Daten erst einmal gespeichert sind. Und den ersten Schritt drückt man eben mit einer genial intensiven Atmosphäre der Angst durch. Erst die Warnungen zurück nehmen und dann Maschinenpistolen und Panzer zeigen. Plump aber wirksam.

  • JK
    J. Kufler

    Hallo, Ihr (habt den Schuss wohl schon zu oft gehoert) Innenminister - Schaden von der Bevölkerung Abwenden heisst nicht, die Verfassung mit Füssen zu treten, heisst auch nicht, das Fernmeldegeheimnis abzuschaffen, heist auch nicht,

    virtuelle Kriege für real zu erklären.

  • MV
    Moritz von ein Schuh für Schäuble

    Wie gut passt es, dass der Terror gerade jetzt wieder über die Titelbilder steppt...

     

    Die Vorratsdatenspeicherung wird wohl kaum ein "Schutzlücke" füllen können, die der Terrorgefahr. Terror ist nicht mit Gesetzten kontrollierbar. Außer es handelt sich um Staatsterror. Genau diesen nutzen die jetzigen Innenminister, wer nicht intelligent genug ist, hat Angst ausgewiesen zu werden. Wer nicht alle Daten verschlüsselt, muss Angst vorm BKA und wohl bald auch der Polizei haben.

     

    Freiheit statt Angst!

     

    "Nach Angaben des Firmeninhabers Larry Copello sei der Sprengsatz-Dummy von seiner 80-jährigen Großmutter verdrahtet worden." Wenn es Bilder von ihr gibt, lass ich mir ein T-Shirt machen!

  • TF
    Thomas Fluhr

    Na, diese Innenminister machen mir Angst! (Justiz?-)Terrorwarnung!