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Mindestlohn führt zu Arbeitslosigkeit

Schlechte Stimmung auf Hamburgs Baustellen: 2.300 Arbeiter ohne Job  ■ Von Stefanie Winter

„Anders als in Dänemark“, bedauerte Klaus Krämer gestern, „können wir uns nicht auf eine starke Gewerkschaft verlassen.“ Der Geschäftsführer der Hamburger Bau-Innung und des Norddeutschen Baugewerbeverbands (NBV) wußte vom nördlichen Nachbarn zu berichten, daß dort ausländische Bauarbeiter zum Eintritt in die örtliche Gewerkschaft und zur Tarifbindung gedrängt würden. Andernfalls würden sie „weggedrückt“, also aus dem Land geschickt.

Hierzulande hatten die Arbeitgeber die Festschreibung eines Mindestlohns zur Bekämpfung von „Lohndumping“ lange Zeit blockiert. Der Mindestlohn auf dem Bau, der allgemeinverbindlich nur bis Mitte kommenden Jahres festgeschrieben wurde, beträgt nun 17 Mark. Der durchschnittliche Tariflohn deutscher Bauarbeitnehmer liegt hingegen bei 24 Mark. Ein Preisunterschied, der sich auch auf den Hamburger Arbeitsmarkt auswirkt: Mehr als fünf Prozent der 20.000 zu Jahresbeginn im Baugewerbe Beschäftigten sind bereits entlassen worden. Ende Oktober waren 2.300 Bauarbeiter in Hamburg arbeitslos gemeldet, 24 Prozent mehr als im Vorjahr.

Zum Winter erwartet der NBV weitere Entlassungen. Es sei davon auszugehen, daß zunehmend „kostengünstige“ ausländische Subunternehmer eingesetzt werden, um „am Markt konkurrenzfähig zu bleiben“. Vergeblich hatte die Gewerkschaft die Arbeitgeber noch Anfang des Jahres beschworen, dies mit einem Mindestlohn in Tariflohnnnähe zu verhindern.

Kein Wunder also, daß die Hamburger Jugend bei ihrer schwierigen Suche nach Ausbildungsplätzen nicht bevorzugt auf den Bau strebt. 300 Lehrverträge wurden im laufenden Jahr abgeschlossen; zehn Prozent der Lehrstellen blieben unbesetzt. Der NBV-Vorsitzende Werner-Wolfgang Spitze beteuert, daß qualifizierte Fachkräfte trotz allem gesucht seien. Dafür will der Verband verstärkt Realschüler und Abiturienten gewinnen, die auf dem Ausbildungsmarkt sowieso schon bessere Chancen haben. Und obwohl die Betriebe „erhebliche Defizite“ beim Schulwissen der Azubis konstatieren, fordert der Verband – wie viele andere auch – die Reduzierung der Berufsschulstunden zugunsten des betrieblichen Ausbildungsanteils.

Die Stimmung in den Betrieben sei jedoch insgesamt schlechter als die tatsächliche Lage. Nur zwei der rund 500 Mitgliedsbetriebe meldeten im laufenden Jahr Konkurs an. Die Umsatzeinbußen von 40 Prozent im ersten Quartal des Jahres waren bereits im September ausgeglichen worden. Auch im kommenden Jahr werden die Betriebe weiterhin vom Wohnungsbau profitieren. Es sei nicht so, sagt Spitze, daß sich im Baugewerbe kein Geld verdienen ließe.

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