■ Mit Abschlachtprogrammen auf du und du: Milliardengrab
Brüssel (taz) – Die Angst geht um in Europas Hauptstädten. Das britische BSE-Abschlachtprogramm könnte so große Löcher in den Haushalt der EU reißen, daß die Mitgliedstaaten Geld nachschießen müssen, so die Befürchtungen. Doch ist das in Luxemburg diskutierte Kompensationsprogramm so moderat, daß es wohl keinen Nachschlag geben wird.
Beim Anblick der regulären Mittel, die die EU für die Bekämpfung von Tierseuchen bereit hält, könnte man aber mit gutem Grund Hosenflattern bekommen. Auch gegen Ziegenpocken, Geflügelgrippe und Pferdepest sind oft einschneidende Maßnahmen notwendig. In der Regel beteiligt sich die EU zur Hälfte an den Maßnahmen des jeweiligen Mitgliedstaates. Hierfür hat die Europäische Union einen Veterinärfonds eingerichtet, aus dem jährlich umgerechnet rund 130 Millionen Mark verteilt werden können.
Im Falle des Rinderwahnsinns geht es dagegen um ganz andere Summen. Schon das in Luxemburg diskutierte Angebot der Briten (siehe Seite 1) würde rund vier Milliarden Mark kosten. Solche Summen können nur aus dem allgemeinen Agrarhaushalt aufgebracht werden, der fast die Hälfte der Gemeinschaftsfinanzen ausmacht.
Glücklicherweise sind die finanziellen Obergrenzen im Agrarbereich seit letztem Jahr nicht mehr ausgeschöpft worden. „Da ist noch genügend Luft drin“, heißt es bei Offiziellen in Brüssel. Während um die Verwendung der Überschüsse des letzten Jahres noch gestritten wird (die Mitgliedstaaten fordern eine Rückzahlung, die EU will mit dem Geld transeuropäische Verkehrs- und Energiegesetze fördern), dürften die freien Gelder aus diesem und den kommenden Jahren an die britischen Farmer gehen.
Daß die Briten für ein Abschlachtprogramm mehr als die Hälfte von der EU bekommen sollen, ist nichts Außergewöhnliches. Als vor zwei Jahren in Niedersachsen die Schweinepest grassierte, kamen die Kompensationen für die deutschen Bauern auch zu 70 Prozent aus speziell eingerichteten Brüsseler Schatullen. Kanzler Kohl brachte dies beim Turiner Gipfel auf den Punkt: „Wir haben Solidarität erfahren, jetzt müssen wir auch Solidarität üben.“
Und außerdem weiß noch kein Mitgliedstaat, wohin der Rinderwahnsinn noch führen wird. Vielleicht muß bald auch auf dem Festland geschlachtet werden. Christian Rath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen