Milliarden mehr für EU-Haushalt geplant: Deutschland soll zahlen
Durch den Brexit klafft im europäischen Haushalt künftig eine Milliardenlücke. Länder wie Deutschland und Österreich sollen sie ausgleichen.
So will die EU-Kommission zum besseren Schutz vor illegaler Migration die europäische Grenzschutzagentur Frontex deutlich aufstocken. Oettinger schlug am Mittwoch in Brüssel einen Ausbau von derzeit 1200 auf 10 000 Mitarbeiter bis Ende 2027 vor. „Wir müssen wissen, wer zu uns kommt.“
Nach den jüngsten von der EU veröffentlichten Daten zahlte Deutschland 2016 rund 23,2 Milliarden Euro in den Gemeinschaftshaushalt ein und war damit der mit Abstand größte Beitragszahler. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, grundsätzlich zu höheren Beiträgen zum EU-Haushalt bereit zu sein – allerdings unter dem Vorbehalt, dass die EU sich auf „Aufgaben der Zukunft mit europäischem Mehrwert“ konzentriert. Die Höhe der Zahlungen richtet sich nach der Wirtschaftsleistung.
Die deutschen Zahlen sind Teil eines Vorschlags, den Oettinger am frühen Nachmittag zur EU-Finanzplanung für den Zeitraum 2021 bis Ende 2027 vorstellen will. Schwierig ist sie vor allem wegen des von Großbritannien geplanten EU-Austritts. Das Land zahlte bislang als sogenannter Nettozahler immer deutlich mehr Geld in den EU-Haushalt ein, als es wieder herausbekam. Nach Berechnungen Oettingers würden deswegen künftig ohne Zusatzeinnahmen pro Jahr mindestens zwölf Milliarden Euro fehlen.
Kritik an Oettingers Plänen für höhere Beitragszahlungen der verbleibenden Mitgliedstaaten kommt unter anderem aus Österreich. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Kommissionsvorschlag sei weit davon entfernt, akzeptabel zu sein. „Unser Ziel muss sein, dass die EU nach dem Brexit schlanker, sparsamer und effizienter wird“, sagte er. Diesem Ansatz trage die Kommission nicht ausreichend Rechnung.
Verhandlungen über Finanzrahmen
Positiv sei allerdings, dass es einen verstärkten Fokus auf einen ordentlichen Außengrenzschutz sowie auf Themen wie Innovation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Umwelt geben solle, ergänzte Kurz. „Die EU muss nach dem Subsidiaritätsprinzip auf Bereiche setzen, wo europäische Zusammenarbeit sinnvoll ist.“
Oettinger verteidigte das Vorhaben, die Ausgaben insgesamt steigen zu lassen, obwohl sich die EU mit einem Austritt Großbritanniens verkleinert. Sieben Jahre bedeuteten zwölf Prozent Inflation, im Vergleich zur Periode bis 2020 seien zudem Gehälter und Baukosten gestiegen. Insgesamt sehe er eine Balance gewahrt zwischen denen, die mehr einzahlen sollen, und anderen Ländern, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“.
Auf Basis des Kommissionsvorschlags werden in den kommenden Monaten die EU-Mitgliedstaaten über den Finanzrahmen verhandeln. Die Entscheidung über ihn muss am Ende einstimmig fallen. Oettinger fordert von den Mitgliedstaaten Kompromissbereitschaft bei den Verhandlungen. Die EU könne bei dem Thema ihren Zusammenhalt unter Beweis stellen, sagte er am Mittwoch.
Faire Lastenteilung gefordert
Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Außenminister Heiko Maas (beide SPD) haben für die EU-Finanzen im nächsten Jahrzehnt „eine faire Lastenteilung“ zwischen den Mitgliedstaaten gefordert. Der von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag für den EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 sei „ein wichtiger erster Schritt“, erklärten die Minister am Mittwoch in Berlin. Sie verwiesen aber darauf, dass Deutschlands Mitgliedsbeiträge schon allein durch Wachstum und Inflation um „bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr“ steigen würden.
Ziel müsse es sein, die Handlungsfähigkeit der EU „für die nächsten sieben Jahre nachhaltig zu stärken“, erklärten die Minister. „Deshalb setzen wir uns mit Nachdruck für eine grundlegende Modernisierung der EU-Ausgaben ein.“ Hier müsse die EU „die richtigen Schwerpunkte setzen“ und Ausgaben „noch konsequenter auf einen europäischen Mehrwert hin ausrichten“. Sie nannten dabei den Schutz der EU-Außengrenzen und die Verteidigungspolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“