: Militärtagung ohne Osteuropa-Gäste
■ Früher „allein und selbstverantwortlich Kriege geführt“
Während draußen im Bremerhavener Museumshafen die Jüngsten mit Begeisterung auf dem Schnellboot „Kranich“ tobten, begann im Schiffahrtsmuseum die 31. „Internationale Fachtagung Militärgeschichte“.
Brigadegenersal Günter Roth, der Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA), begrüßte die 115 TeilnehmerInnen aus sechs Ländern mit einer Würdigung der „wunderbaren Seeluft“ und einem ausdrücklichen Dank an Senator Franke, der sich anläßlich einiger „Irritationen“ im Vorfeld der Tagung eindeutig für deren Thematik und Durchführung ausgesprochen habe. Roth kündigte an, daß das Tagungsthema “ Militär und Technik, Wechselbeziehungen zu Staat, Gesellschaft und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert“ zur wissenschaftlichen Vorbereitung einer Ausstellung in Bonn diene.
Im Freiburger Forschungsamt, das dem Verteidigungsministerium untersteht, arbeiten 31 Historiker
-Stabsoffiziere und 21 zivile Historiker. Der leitende Historiker im MGFA, Prof, Wilhelm Deist, beklagte in seinem Einführungsreferat, daß Militärgeschichte als Spezialdisziplin in den Lehrplänen der Bundeswehruniversitäten nicht vorkomme. Weil ihre Bedeutung auch öffentlich nicht wahrgenommen werde, habe es zu den genannten „Irritationen und Turbulenzen“ kommen können. Die Fragestellung
der Tagung nach den Konsequenzen des technischen Fortschritts „auf die Funktion und Struktur der bewaffneten Macht“ gehöre zu den Defiziten militärgeschichtlicher Forschung. Deist macht eine „Reduktion der Funktion bewaffneter Macht durch die technische Entwicklung“ aus. Habe die bewaffnete Macht bis zur Jahrhundertwende „allein und selbstverantwortlich“ Kriege geführt, sei an dessen Stelle die „vollständige Abhängigkeit von der privaten Rüstungsindustrie“ getreten. „Die militärische Führung ist nicht mehr die Institution, die sagt, was sie braucht, sondern das wird ihr von privat-rüstungswirtschaftlicher Seite suggeriert.“ Daß er in seinem Überblick die entscheidende technische Neuerung, die Herstellung von Kernwaffen, nicht genannt habe, wird ihm von einem Bundeswehr-Offizier harsch vorgeworfen. Denn hier sei gerade durch die technische Entwicklung eine völlig neue Dimension in der moralischen Bewertung des Phänomens Krieg entstanden.
Nicht anwesend sind bei der Tagung Wissenschftler aus der Sowjetunion und Polen. Das Forschungsamt hatte vor zwei Monaten zwei Danziger Hochschullehrer eingeladen. An das Institut für Militärgeschichte der Sowjetunion wurde eine Anfrage gerichtet zur Entsendung eines sowjetischen Militärhistorikers. Antworten lagen bei Tagungsbeginn nicht vor. h
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen