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Militärmaschinerie kein Konjunkturmotor

Diskussionsanstöße zur Rüstungskonversion faßt der Sammelband einer neuen Wissenschaftsedition zusammen  ■  Von Michael Strübel

Alle Parteien stehen häufig vor demselben Problem, wenn sie Referate und Diskussionen ihrer Fachkonferenzen publizieren wollen: Entweder sind die vorliegenden Papiere inhaltlich so disparat und qualitativ unterschiedlich, daß eine Veröffentlichung Zeit und Kosten kaum lohnt, oder es überwiegen Selbstdarstellungs- und Profilierungsversuche der Politiker, die zu lesen unendlich langweilig und meist auch ziemlich unaktuell sind. Doch Diskussionsforen können auch Anlaß und Anstoß für den Versuch sein, wichtige inhaltliche Debatten „in einem Guß“ und in einer wissenschaftlich vertretbaren Form, also mit nachzuprüfbaren Literaturhinweisen, zu dokumentieren.

Diesem Zweck dient eine neue ins Leben gerufene Wissenschaftsedition der baden-württembergischen SPD, die die Bereiche Forschung, Wirtschaft und Arbeitswelt abdecken will. Der erste, und hoffentlich nicht der letzte, Band dieses editorischen Unternehmens liegt nunmehr vor. Er befaßt sich mit „Rüstungskonversion“, also der Umstellung der Rüstungswirtschaft auf die Erzeugung allgemeiner ziviler Güter, die - um im SPD-Jargon zu bleiben - sozial- und umweltverträglich sein sollen. Ein Thema übrigens, für das sich nicht nur die Südwest-SPD, in deren Gebiet sich hochkarätige Rüstungsunternehmen befinden, interessieren sollte, sondern das darüber hinaus auch von allgemeinem Interesse ist.

Über Konversion muß nachdenken, wer vermeiden will, daß die Rüstungsindustrie, die sich durch staatliche Aufträge und Abnahmegarantien eigentlich sicher wähnt, immer dann mit dem Arbeitsplatzargument die öffentliche Diskussion beherrscht, wenn über Abrüstung verhandelt werden soll. Dies ganz abgesehen davon, daß Rüstungsgüter im „besten“ Fall unproduktiv sind, also herumstehen oder verrosten, im schlechtesten Fall sich als todbringend erweisen. Sachlich, kritisch und differenziert greift der von Marcus Breitschwerdt herausgegebene Band die verschiedenen Facetten des Themas auf.

Im ersten Teil wird von H. Wulf, K. Mehrens und P. Wilke ein schnell erfaßbares Bild von der Situation und den Problemen der einheimischen Rüstungsindustrie gegeben, wobei insbesondere die Wirkungen auf die Volkswirtschaft und das politische System problematisiert werden. Danach analysieren verschiedene Autoren die sicherheits- und entwicklungspolitischen Aspekte. Dabei zeigt sich, daß vorhandene Rüstungskapazitäten einer fortschreitenden Abrüstungspolitik nicht im Weg stehen dürfen. Mehr noch: Rüstungsforschung ist weder ein Motor für Wirtschaftswachstum noch kann sie Sicherheit garantieren.

Im Gegenteil wird Rüstungsproduktion und ihre Anwendung in Form von Militärübungen, Lagerungen von Waffen usw. immer mehr zu einer ökologischen Bedrohung im Fall des Nicht -Krieges, hier sei nur an die Tiefflugproblematik oder an Manöverschäden erinnert.

Im Hauptteil des Bandes werden konkrete Konversionsvorschläge von Gewerkschaften und Unternehmensleitungen gegenübergestellt und mit praktischen Fallbeispielen aus Großbritannien (M. Cooley), der Schweiz (H. Braunschweig) und der Bundesrepublik (E. Einemann/E. Lübbing, C. Wellmann) verglichen. Dabei wird nicht nur das Spannungsverhältnis zwischen den Tarifparteien ins Visier genommen. Es wird auch klar, daß sowohl die Eigentumsfrage an sich als auch die Verbindungen zwischen Ministerialbürokratie und Privatwirtschaft eine selbst für starke Gewerkschaften schier unüberwindliche Hürde für realisierbare Konversionsprojekte bildet.

Das Buch will weder enzyklopädisch alle denkbaren Aspekte aufarbeiten noch einen weiteren Ansatz zur Theorienbildung beisteuern. Dazu ist die Palette der Autoren auch zu unterschiedlich. Doch die Art und Weise, in der Friedensforscher und Gewerkschaftsvertreter, Ingenieure und Wirtschaftsberater zu diesem Thema zusammengeführt worden sind, kann insgesamt als gelungen gelten. Auch wenn Zweifel an der Praktikabilität der Konversionsvorschläge laut werden (aber was bitte ist dann die Alternative?), und mancher die Staatsableitung in den Analysen vermissen mag - der Band ist ein wichtiger und längst überfälliger Beitrag zu einer nicht nur unvermeidbaren, sondern dringend notwendigen politischen Auseinandersetzung.

Marcus Breitschwerdt (Hrsg.): Rüstungskonversion. Facetten einer Strukturfrage. Verlag Wissenschaftsedition SPD, Stuttgart 1989, 242 Seiten, 15 DM

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