Militärbündnis bombadiert Aufständische: Nato entschuldigt sich für Angriff
Die Nato hat versehentlich einen Konvoi von libyschen Rebellen bombadiert. Bei einem weiteren Luftangriff sollen nach Angaben der libyschen Regierung Zivilisten getötet worden sein.
TRIPOLIS dapd/dpa/rtr | Die Nato hat sich für einen versehentlichen Luftangriff auf einen Konvoi von libyschen Aufständischen entschuldigt. Das Militärbündnis erklärte am Samstag, es bedaure, falls Menschen bei dem "beklagenswerten Zwischenfall" vor zwei Tagen getötet oder verletzt worden seien.
Nato-Streitkräfte hätten am Donnerstag einen Konvoi von Militärfahrzeugen in einem Gebiet gesichtet, wo Truppen des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi jüngst operiert hätten, hieß es in einer Erklärung des Militärbündnisses. Daraufhin hätten die Nato-Kampfflugzeuge einen Luftangriff in der Absicht geflogen, die Zivilbevölkerung zu schützen. Später sei bestätigt worden, dass es sich bei dem Konvoi um eine Patrouille der Opposition gehandelt habe.
Die Nato machte keine Angaben darüber, ob es Opfer gegeben habe. Ein Arzt aus der nahe gelegenen Stadt Adschdabija sagte aber, rund um die Zeit des Angriffes seien die Leichen von vier Rebellenkämpfern in sein Krankenhaus gebracht worden. Es konnte aber nicht bestätigt werden, ob die Männer bei dem Bombardement getötet worden waren oder bei anderen Kämpfen ums Leben gekommen waren.
Fronten verschieben sich ständig
Ein Sprecher der Rebellen, Abdel Rahman Abu Sin, erklärte, er habe Verständnis dafür, dass die beiden Seiten durch die sich stetig verschiebenden Fronten nicht immer leicht zu unterscheiden seien.
Die Nato hat bei ihren Luftangriffen bereits mehrmals versehentlich Rebellen beschossen. Immer wieder war in den Reihen der Gaddafi-Gegner auch Kritik laut geworden, dass die Luftangriffe des Militärbündnisses ihnen keinen entscheidenden Vorteil bei den Kämpfen eingebracht hätten.
Am Samstag hatte die Nato abermals mindestens zwei Ziele in der Hauptstadt Tripolis angegriffen. Welche Ziele getroffen wurden und ob es dabei Tote oder Verletzte gab, war zunächst nicht bekannt.
Unterdessen sind nach Angaben der libyschen Regierung bei einem weiteren Luftangriff der Nato auf Tripolis etwa sieben Zivilisten getötet worden. "Es wurden bewusst und mit Absicht Häuser von Zivilisten ins Visier genommen", sagte Vize-Außenminister Chaled Kaim zu dem Angriff am frühen Sonntagmorgen.
"Nacht des Mordes"
Regierungsvertreter führten Journalisten zu einem Wohngebiet im Stadtteil Arada. Dort wurde ein menschlicher Körper aus den Trümmern eines Hauses gezogen. In einem örtlichen Krankenhaus wurden dann drei Leichen gezeigt, darunter die eines Kindes. Es handle sich um Tote des Luftangriffes, sagte ein Regierungssprecher. "Im Prinzip ist das eine weitere von der Nato verursachte Nacht des Mordes, des Terrors und des Horrors in Tripolis", sagte der Sprecher.
Ob die drei Leichen aus dem zerstörten Gebäude stammten, konnte nicht unabhängig bestätigt werden. Die Journalisten erreichten das Gebäude eineinhalb Stunden, nachdem in der Hauptstadt eine laute Explosion zu hören war. Während nach früheren Luftangriffen Rauch aus den Trümmern aufstieg, war er in diesem Fall nicht zu sehen. Vor zwei Wochen hatte ein Mitarbeiter des selben Krankenhauses Journalisten einen Zettel zugesteckt, auf dem es hieß, ein bei einem Autounfall verletztes Kind sei von der Regierung zum Opfer eines Luftangriffs erklärt worden.
De Maizière wirf Nato falsches Vorgehen vor
Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat der Nato ein falsches Vorgehen bei ihrem Libyen-Einsatz vorgeworfen. Der Einsatz sei kurzsichtig geplant worden, sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Mit Blick auf Berichte über Munitionsknappheit der Verbündeten in Libyen ergänzte er: "Natürlich muss man, wenn man etwas anfängt, auch immer wissen, wie lange man das durchhalten kann."
Die Stationierung einer Friedenstruppe in Libyen nach dem Krieg und eine deutsche Beteiligung daran bezeichnete der Minister als höchst unwahrscheinlich. "Eine internationale Friedenstruppe ist doch eine hypothetische Sache, die nur nötig ist, wenn Libyen zerfällt und man Streitparteien trennen muss", sagte er. "In einem sich hoffentlich demokratisch entwickelnden Land wäre das weder nötig noch wünschenswert." Er hoffe, dass es zu einem solchen Einsatz gar nicht komme. "Weil Libyen hoffentlich vereint bleibt und sich in Richtung Demokratie entwickelt."
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