■ Hausmeister im Pausenstreik: Milch macht mobil
Memmingen (taz) – Der Gong ertönt, die Schüler stürmen in die Pausenhalle. Für den Hausmeister beginnt jetzt die härteste Zeit des Tages. Milch, Kakao, Butterbrezen, Saft, belegte Seelen. Pausenverkauf. Zwanzig Minuten Streß, gigantische Umsätze. Mit dicken Schlitten zischen die Herren Hausmeister danach ab: 10.000 bis 90.000 Mark Jahresumsatz, hat die Münchner Oberfinanzdirektion (OFD) herausgefunden, mache so mancher Hausmeister jährlich – ganz nebenbei. „Das sind zum Teil Gewinne bis zu 20.000 Mark im Jahr“, meint OFD-Pressesprecher Hans Schüller.
Dem Memminger Hausmeister Reiner Mang bleibt die Brezel im Halse stecken. „Ich verkaufe am Tag etwas mehr als zwanzig Flaschen Milch und bekomme pro Flasche fünf Pfennige!“ Seit Anfang Juli bekommt Herr Mang allerdings nichts mehr, weil er in den Pausenstreik getreten ist: Das Memminger Finanzamt forderte ihn auf, seine Nebeneinkünfte zu versteuern – und zwar rückwirkend ab 1989. „Da haben meine Kollegen und ich beschlossen, wir hören auf mit dem Pausenverkauf, wenn man beim Schaffen auch noch bestraft wird.“
Die Hausmeister an kleinen Schulen hätten nichts zu befürchten, versichert der Chef des Memminger Finanzamtes, Karl-Heinz Bauer. Die Weisung der OFD bezöge sich vor allem auf Hausmeister an großen, weiterführenden Schulen und Berufsschulen, wo tatsächlich hohe Umsätze gemacht würden. Und Pressesprecher Schüller ergänzt: „Wir müssen eben aus Gründen der Steuergerechtigkeit alle abfragen.“ Dies sei übrigens durch den Bayerischen Landkreistag schon in den 80er Jahren angeregt worden. Man habe bislang von keinem Hausmeister etwas verlangt, der unter 800 Mark zusätzlich einnimmt. Augenmaß bei den Steuerbehörden fordert auch der Rektor der Memminger Lindenschule, Paul Leins. Es dürfe nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden. Der Pausenverkauf, zu dem kein Hausmeister verpflichtet werden könne, sei wichtig. Schließlich dürften die Schüler das Schulgelände nicht verlassen, auch nicht zum Einkaufen. „Viele Schüler kommen auch in die Schule, ohne gefrühstückt zu haben!“ mahnt Leins. Lehrkörper und Schüler hoffen auf eine baldige Regelung. „Wir wollen, daß unsere Hausmeister auch was verdienen!“ skandieren spontan einige Jugendliche, als sie den Reporter im Pausenraum entdecken. „Schwachsinn, die paar Pfennige zu versteuern, die die verdienen!“ meint eine Fünfzehnjährige unter dem Beifall der Mitschüler.
Während der Memminger Pausenprotest anhält, lebt auch bei einigen Nürnberger Kollegen die alte Diskussion ums Pausenbrot wieder auf. Dort forderte die Stadtverwaltung nämlich schon vor einem Jahr mit einem „Pausenbrot-Erlaß“ drei Prozent Abgaben von den Hausmeistern. Schließlich würden die für ihre Nebentätigkeit städtische Einrichtungen nutzen und den Verkauf auch noch während ihrer Arbeitszeit tätigen. Schulmilch und Schulkakao als hehre Relikte der Grundversorgung blieben freilich schon damals vom umstrittenen Erlaß ausgenommen. Dennoch: Sollte der Funke überspringen, könnte es schon bald zu einem bayernweiten Hausmeisterstreik kommen. Klaus Wittmann
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