piwik no script img

Milch-PreissprungPolitik warnt vor Melken der Kunden

Die Milch wird deutlich teurer, Butter, Käse und Quark erst recht. Das liegt nicht allein an dem steigenden Milchpreis.

Preissteigerungen von bis zu 50 Prozten für ihren Eutersaft. Bild: dpa

BERLIN taz Milch wird um 5 bis 10 Cent je Liter teurer; der Preis von Butter, Käse und Quark steigt gleich um 40 Prozent. Für den August kündigt die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) eine Preissteigerung an "wie in Deutschland noch nicht erlebt". Die Gründe dafür lägen auf der Hand: Die weltweite Nachfrage steige, das Angebot sei knapp, und das Interesse an Biosprit verteuere die Futtermittel. Und den deutschen Landwirten, ergänzt der Verband der Milchindustrie, müsse "wieder ein ordentlicher Auszahlungspreis" gezahlt werden.

Ulrich Jasper macht das stutzig: Ja, die Argumente stimmten alle, meint der stellvertretende Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dem Pendant zum Deutschen Bauernverband. Aber Teuerungen von 50 Prozent, die die ZMP bekannt gibt? Kein Wort von "moderaten Steigerungen", von "warten wir doch einmal ab" oder "keine Panik"? "Diese Meldung ist kein Zufall", sagt Jasper. "Sie ist Wasser auf die Mühlen bestimmter politischer Interessen: Das hat auch mit der Abschaffung der Milchquote zu tun."

Seit zwanzig Jahren regulieren Quotenzuteilungen die Milchwirtschaft in der EU. Die "Milchseen" und "Butterberge" sollten abgebaut werden. Wie viel Milch ein Betrieb produzieren darf, ist seither genau geregelt. Betriebe, die mehr produzieren wollen, müssen Quoten von anderen, die weniger benötigen oder aufgeben, hinzukaufen. Wer über der Quote produziert, hat Strafen zu zahlen. Der Bauernverband will, dass die Quotenregelung ausläuft. Im kommenden Jahr werden die Mitgliedsländer der EU darüber entscheiden. Die deutsche Position wollen der Bund und die Länder auf der Agrarministerkonferenz im Herbst festlegen. Betriebe, die wachsen wollen, würden durch die Quote gehemmt, lautet das Argument des Bauernverbandes gegen die Einmischung durch die Politik.

Eine größere Produktion würde sich derzeit auszahlen. Deutschland exportiert Milch und Milchpulver nicht nur in die neuen EU-Mitgliedsstaaten, sondern seit diesem Jahr auch verstärkt nach Asien. Indien und China haben ihren Hunger auf Milch entdeckt - und die Nachfrage steigt weiter, während das Angebot gesunken ist. Große Milchlieferanten wie Australien haben ihre Produktion gesenkt, weil Hitze und Dürre das Futter verknappen und verteuern. Würde die Quotenregelung aufgehoben, stiege das Angebot auf dem Weltmarkt - und dies würde die Preise für Konsumentinnen und Konsumenten wieder moderater werden lassen.

Doch kleinere Betriebe mit weniger modernen Geräten fürchten, dass sie nicht konkurrenzfähig sein werden, wenn es keine Regelung mehr gibt. Schon jetzt heißt es vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, dass die Preiserhöhungen gar nicht so "dramatisch" ausfallen werden wie angekündigt. Der Wettbewerb würde schon dafür sorgen, dass die Preise nicht explodierten. Und letztlich würden die Verbraucher über die Preise entscheiden, sagte Hubertus Pellengahr, der Sprecher des Einzelhandelsverbandes, gestern im ZDF. Deshalb gingen nicht alle Preiserhöhungswünsche in Erfüllung.

Damit wäre die Frage an die Molkereien weitergereicht. Diese haben zuletzt höhere Preise durchgesetzt. "Jetzt müssen die Bauern gucken, ob sie davon etwas abkriegen", meint Ulrich Jasper von der AbL. Derzeit erhalten Landwirte rund 30 Cent pro Kilogramm - zu wenig, um überhaupt die Produktionskosten zu decken. Öko-Bauern erhalten zusätzlich rund 7 Cent pro Kilogramm.

"Diese drastischen Preiserhöhungen sind nicht wirklich nachvollziehbar", sagte eine Sprecherin des Bundesverbraucherministeriums. Die Erhöhung in diesem Ausmaß habe nichts mit den gestiegenen Milchpreisen zu tun, die die Bauern seit kurzem erhielten. Auch die Grünen geben zu bedenken, dass der Milchpreis viele Bauern an den Rand ihrer Existenz gebracht habe und eine "maßvolle Preissteigerung" angebracht sei. Eine "Abzocke" aber sollten sich die Verbraucher nicht gefallen lassen, meint Ulrike Höfken, die Vorsitzende des Agrarausschusses des Bundestags.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • AD
    Andre Demuth

    bei allen guten dingen zu bio ...und armen bauern....der export nach asien, australien und der angstmache vor fleischpreiserhöhung brotpreiserhöhung und dem ganzen anderen sch****.... haben denn nicht asiaten eine lactose intoleranz, weil denen nämlich das enzym lactase fehlt!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  • SR
    Sören Roth

    Das Geld muss fließen. Nicht die Milch! Milch ist zum Geldverdienen da, nicht zum Trinken.

    Wollen die Bürger Fortschritt im eigenen Interesse bestimmen, hilft nur das Geld besser zu steuern. Keine Nahrungsmittel mehr kaufen scheint die schlechteste Reaktion. Hält ja auch keiner lange aus. Wenn aber ersteinmal der Widerstand gebrochen ist d.h. die Bürger auch ihre letzten Reserven ausgegeben haben setzt sich der American Way of Life, dieser unglaubliche Traum sich am das Elend Anderer zu ergötzen, im guten Nachkriegseuropa durch. So wie z.B. Polen und Tschechen so sehr an die eigene Tatkraft glauben und noch nicht geschnallt haben, dass sie eine Phase der Anfütterung mitmachen, welche dazu dient sie nur in eine unendliche Schuldenfalle zu locken. So wie bei uns. Wirtschaftsverbände rächen sich einfach an Bevölkerungen welche einen

    eigenen European Dream leben wollen. Wenn der Bürger nicht richtig spurt, wird halt mit der Peitsche geknallt.

    Wenn die Leute nicht Atomstrom wollen wird halt mal an anderer Stelle druck gemacht. Wenn Deutschlands Tornados zurückkommen, ist der Aufschwung weg. Wenn der Bürger die letzten LOOSER-Reformen

    halbwegs überstanden hat, die Industrie sogar von weiteren Investitionen spricht, wird die Keule weiterer Arbeitskonkurrenz "angesprochen".

    Wir sind im Schuldhaus Europa. Wir leben im Schuldhaus Erde. Warum entschuldet sich die Welt eigentlich nicht. Ein 200-Jahre-Plan muss aufgelegt werden, Schulden zu Tilgen, zum einen damit man nicht einfach mal mit Atomwaffengewalt gefügig gemacht werden kann, zum anderen damit diese Erpressung wider der Freiheit im Namen des Liberalismus gestoppt wird und vor allem als das entlarvt wird was es ist: Eine Kapitalfaschistische Diktatur.

     

    Von mir aus 3 Euro pro Liter Milch.

     

    EU- Ausbildungsprogramm für 150 000

    studierte, erblastentschuldete, Grund nicht besitzende aber Dienstleistung generierende EU-ÖKObauern der neuesten Generation.

  • JE
    J. Erkes

    1 kg Butter soll 2 Euro teurer werden !

    Für ein kg Butter braucht man ca 20 Liter Milch

    Je nach Herstellungsart bzw. Käsesorte wird dem Käse mehr oder weniger Wasser entzogen. Daher benötigt man zur Herstellung von 1 Kilogramm Käse zwischen 4 (bei Frischkäse) und 13 Liter (bei Hartkäse) Milch.

     

    effektiv machen die Preiserhöhungen ca 10 Cent pro Liter Milch aus !!

     

    Und das ist gerechtfertigt !!

  • M
    m.leucht

    vor kurzem habe ich mit einem farmer in new zeeland gesprochen und gefragt ob es nicht doch besser sei wenn der staat ihm und seinen mitstreitern helfen würde. antwort ich will nichts vom staat das hatten wir schon einmal damals ging es uns noch schlechter und heute können wir selber auf dem markt lenken es ist immer ein rauf und runter, aber das beste daran ist seit der staat seine finger nicht mehr im spiel hat geht es uns weitaus besser

     

    ergebnis minderheiten führen das land und auch in der wirtschaft ist es nicht anderst

  • FH
    Friedrich Hattendorf

    Wie viel Liter Milch musste ein Bauer eigentlich vor dreißig (fünfzig) Jahren liefern, um sich vom Erlös ein Kilogramm Käse im Lebensmittelgeschäft kaufen zu können?

    Und wie viel heute?

  • M
    Malawi

    ich begrüsse das: es macht bio-milch (auch preislich) attraktiver und lenkt den blick des verbrauchers uU. auf pflanzliche alternativen, zB. soja-produkte. das kann nur gut sein.