Milan Panek wohnte einem Personenkult bei, der keiner sein soll: Martin Schulz trifft seine Jünger
Im Festsaal Kreuzberg liegt am Mittwochabend etwas in der Luft. Und es ist nicht nur Bockwurstgeruch. 500 SPD-Neumitglieder sind gekommen, um ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz zu treffen. Einer von den Neuen ist der 16-jährige Frederico Winckler. Er trat exakt an dem Abend im Januar in die SPD ein, als Schulz zum Kanzlerkandidaten erklärt wurde. „Er ist einfach ein authentischer Typ, der Menschen begeistern und Nähe zeigen kann.“
Es gehe ihnen aber nicht um Personenkult, so Winckler und andere Neumitglieder an diesem Abend. Schulz sei vielmehr eine Chiffre für Europa und die Demokratie. Das sagt auch Katharina Eberl. „Sozialdemokratie ist die Antwort auf Populismus à la Trump“, so die Studentin bei veganem Chili sin Carne. Auch für Bockwurstgegner ist also gesorgt bei der Berliner SPD.
Seit Januar zählt diese 1.300 neue Mitglieder, bundesweit sind es sogar 18.000, rechnet derweil Berlins Regierender Michael Müller (SPD) vor. „Danke, Martin!“, kommentiert ein angeheiterter Zwischenrufer aus dem Publikum. Michael Müller versichert den Anwesenden, dass sie „nicht nur SPD-Neumitglieder seien, sondern ein Teil einer Bewegung“. Das hat man doch schon mal jenseits vom Atlantik gehört. Nach Müller folgt dann der Kanzlerkandidat aus Würselen, auf den die Crowd gewartet hatte. Martin Schulz – schon der Name elektrisiert. Frenetischer Jubel, Atmosphäre wie auf einem Popkonzert.
Dann spricht Schulz, der Exfußballer mit den O-Beinen und dem rheinischem Akzent. Gespickt mit selbstironischen Anekdoten, erzählt der einstige EU-Parlamentschef von den Rechten jedes einzelnen Menschen. „Im Grundgesetz steht, die Würde des Menschen ist unantastbar. Da steht nicht: Nur die würde der Deutschen ist unantastbar!“ Nun brodelt der Festsaal in Kreuzberg endgültig. Einige schwenken, Personenkult hin oder her, Pappschilder, auf denen Schulz’ Konterfei mit dem Ausdruck „MEGA“ zu lesen ist.
Nach Schulz’ Rede sagt Müller, dass nun der Wahlkampf eingeläutet sei. Man merkt es, die neuen Parteimitglieder wollen raus und kämpfen. Offensichtlich gilt das auch für Martin Schulz. Für Selfies nach der Rede lässt er seinen Fanboys und -girls keine Zeit.
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