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Migrationsdebatte Haben wir es geschafft?

Nach den Pan­ter­preis­ge­win­ne­r:in­nen diskutieren auf dem nachmittäglichen Podium der Genoversammlung Ricarda Lang, Franck Düvell und Christian Jakob.

Podium: Das schaffen wir: Die Migrationsdebatte von links und ungeschönt Foto: Sonia Dipi

Nach der Kaffeepause am Nachmittag muss die Podiumsdiskussion zeitlich mit der Panter Stiftung tauschen, weil ein Gast mit der Bahn anreist und die Probleme macht.

Die Leiterin der Panter Stiftung Gemma Terés Arilla stellt die Panter Preis­ge­win­ne­r:in­nen vor: Zora Tischer vertritt "Kaiserslautern gegen Rechts" und Tely Büchner und Thomas Schmidt sind vom „KulturQuartier in Erfurt“ angereist.

Danach geht es wie geplant mit der Podiumsdiskussion weiter: Zehn Jahre ist es nun her, dass die damalige ­Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren berühmten Satz sagte: „Wir schaffen das.“ Gemeint war der sogenannte „Fluchtsommer 2015“ als rund zwei Millionen Menschen in die EU ­migrierten, viele davon nach Deutschland.

Die meisten flohen vor Krieg, kamen aus ­Syrien oder dem Irak. Zehn Jahre später greift – neben vielen anderen Medien – auch die taz die Frage wieder auf, wie es heute um die Migrationsdebatte und -politik steht. Haben wir es geschafft?

Das Podium trägt den Titel: „Das schaffen wir: Die Migrationsdebatte von links und ungeschönt“. Auf der Bühne sitzen die ehemalige Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, der leitende Wissenschaftler am Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück Franck Düvell und taz-Redakteur Christian Jakob.

„Niemand in der taz hat sich schon so lange mit dem Thema Migration befasst wie er“, stellt taz-Chefredakteurin Barbara Junge Letzteren vor. Sie übernimmt die Moderation zusammen mit Chefredakteurin Ulrike Winkelmann.

Das Gespräch startet mit einem Rückblick. Hätte man früher und besser vorhersehen können, welche weitreichenden Folgen die Migration 2015 haben würde? Düvell, der damals an der Uni Oxford zu Migration forschte, erzählt, dass sich die Welle von Geflüchteten durchaus angekündigt habe: „Ich war damals in der Türkei, dort war alles total überfüllt, die Menschen schliefen auf der Straße. Ich habe versucht zu warnen.“

Er vermisse auch heute vorausschauendes Handeln vonseiten der Politik, auch bezüglich Gaza oder Sudan. Es bräuchte weniger Abschottung, stattdessen sollte mehr über Flucht­ursachenbekämpfung gesprochen werden. Nach ihm müssten zudem Migration, Arbeitsmarkt und demografische Veränderungen zusammen gedacht werden. „Migration ist auch eine Lösung“, sagt er.

Das ist eine fast schon radikale Aussage, wenn man bedenkt, dass die Migrationswelle 2015 auch viel Polarisierung in der Gesellschaft mit sich gebracht hat und von der AfD erfolgreich instrumentalisiert wurde.

„Warum haben wir den Anspruch an eine humanitäre Flüchtlingspolitik preisgegeben?“, fragt sich Ricarda Lang. Und merkt an, dass viel zu wenig über die Themen gesprochen werde, die die Menschen im Alltag betreffen: Wohnungen, Kitas, Infrastruktur. Was für einen „irren Fokus auf Migration“ es stattdessen gebe, sowohl in der Politik als auch in den ­Medien.

Christian Jakob beschäftigt vor allem das rechte Narrativ, die Presse berichte zu unkritisch über Migration. Nach ihm ist das ein „Versuch der Diskreditierung“. Und nicht nur der Diskurs, sondern die ganze Atmosphäre sei mittlerweile so aufgeladen, dass es schwierig sei, progressive Ansätze sachlich zu diskutieren.

Selbstkritisch hinterfragen

„Die Art des Diskurses setzt die Demokratie unter Druck, nicht die Fehler von 2015“, betont er. Und da müsse man sich auch als Presse selbstkritisch hinterfragen, warum man das zugelassen habe.

Es gibt immer mal wieder zustimmenden Applaus vom Publikum. Viele Fragen werden in der kurzen Zeit aufgeworfen, ein paar Ansätze angesprochen, zu einer tiefer gehenden Diskussion kommt es aber nicht. Und am Ende schließt Junge mit den Worten: „Dass wir das Thema hier nicht lösen, war klar.“ Dafür war es dann doch viel zu groß für die angedachte ­Dreiviertelstunde.