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MigrationBerlin integriert jetzt per Gesetz

Seit Januar gilt in der Hauptstadt ein Integrationsgesetz – das bundesweit erste seiner Art. Kritik kommt von der Opposition, aber auch von der regierenden SPD.

Ist ein Integrationsgesetz vernünftig? Bild: dpa

BERLIN taz | Als erstes Bundesland hat Berlin seit Jahresbeginn ein Gesetz zur Integration von MigrantInnen. Das "Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration" war auf Vorschlag der rot-roten Regierungskoalition im Dezember vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet worden. Es regelt vor allem die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und soll die gesellschaftliche Teilhabechancen von EinwanderInnen und ihren Nachkommen verbessern.

So müssen nun alle Berliner Bezirke Integrationsbeauftragte ernennen. Bisher haben nur zehn der zwölf Stadtteile ein entsprechendes Amt. In Beiräten von Verwaltungen, denen BürgerInnen angehören, wie etwa in der SeniorInnen- oder Behindertenvertretung, wird die Beteiligung eines Migrantenvertreters vorgeschrieben.

Zudem müssen bei Einstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst künftig Qualifikationen wie interkulturelle Kompetenz oder besondere Sprachkenntnisse berücksichtigt werden. Das soll den Migrantenanteil unter den Beschäftigten erhöhen. In vielen Verwaltungen galten bereits ähnliche Bestimmungen, die aber keinen Gesetzescharakter hatten.

Vor allem die Bewertung von Qualifikationen hatte im Vorfeld zu heftiger Kritik an dem Gesetz geführt. Es sei eine "Beleidigung für Zuwanderer", sagte etwa der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Kurt Wansner, denn es solle "eine Bevorzugung der Migranten bei Bewerbungen sicherstellen, selbst wenn sie schlechter qualifiziert sein sollten als Bewerber ohne Migrationshintergrund". Dies bedeute, "dass man den Migranten nicht zutraut, sich gegen andere Bewerber durchzusetzen", und sei damit "kontraproduktiv", hieß es in einer gemeinsamen Presserklärung von Wansner und dem Berliner CDU-Fraktions- und Landesvorsitzenden Frank Henkel. Zudem gebe es für das Gesetz "keine Akzeptanz in der Mehrheitsgesellschaft".

Auch aus der SPD selbst kam Kritik an dem Gesetz: Etwa von den dem rechten Flügel der Berliner SPD angehörenden Bezirksbürgermeistern Christian Hanke (Mitte) und Heinz Buschkowsky (Neukölln): Es sei "bürokratisches Pillepalle, das uns nicht weiterbringt", so Buschkowsky. Er erwarte, dass das Gesetz Defizite von Integration benenne und formuliere, wie ihnen zu begegnen sei. Mit ihren Stimmen hatte der Rat der Bürgermeister das Gesetz im September noch abgelehnt, was den Senat zu einer erneuten Beratung der Vorlage zwang.

Migrantenvertreter äußern sich überwiegend zufrieden mit dem Berliner Gesetz, auch wenn es keine tatsächliche Quote enthält. Diese war nicht durchsetzbar, zu groß war der parteiinterne Widerstand in der SPD. Er begrüße die Berliner Initiative und hoffe, dass andere Bundesländer diesem Vorbild folgen werden, sagte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland (TGD), Kenan Kolat, der auch Sozialdemokrat ist. Die Türkische Gemeinde erwarte, dass alle Verwaltungen des Landes Berlin nun "Zielgrößen" für Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Zuwanderer definierten und auch umsetzten, erklärte Kolat. Der TGD-Chef kündigte an, dass sein Verband einen Entwurf für ein bundesweites Integrationsgesetz vorlegen werde.

In einigen Ländern wird bereits über eigene Integrationsgesetze nachgedacht. So will die SPD in Nordrhein-Westfalen 2011 einen entsprechenden Entwurf in den Landtag einbringen.

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14 Kommentare

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  • SI
    Staatsverschuldung immer höher

    Da machen diese Politiker riesige Diskriminierungsgesetze und anschließend diskriminieren sie die eigene Bevölkerung.

     

    Ein Freund von uns ist mit einer Südamerikanerin verheiratet. Selbst diese schimpft über die Gesetze, welche unsere Regierung bezügl. Migranten macht. Offensichtlich werden hier nur muslimische Migranten bevorzugt. Für die aus anderen Ländern wie China, Japan, den anderen Europäern brauchen wir das auch nicht. Denn diese integrieren sich ohne Probleme.

  • N
    NunJa

    GG Artikel 3

     

    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

     

    (2) ...

     

    (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

  • ES
    ernst seeger

    viel Spaß dabei!

  • SH
    seiner Herrlichkeit

    Bärchen gewinnt mit diesem Gesetz trefflich seine Bürger.

     

    Weiter so!

  • Y
    Yossef

    Da gebe ich Hatem Recht. Als Migrant kann ich kein Sinn in dem Vorhaben entdecken. Aber das ist ja auch nichts neues aus der Berliner Verwaltung.

    Da wird sich anscheinend nur um den einen kleinen Teil der Migranten bemüht, der sich nie um die Gesellschaft verdient machen wird (diesen Anteil gibt es auch bei den "Eingeborenen"). Bezeichnend auch der dortige Umgang mit Straftätern aus dieser Gruppe.

    Klingt weit hergeholt, aber langsam glaube ich, es wird aus Berlin bewußt an der Republik gezündelt und es werden Bevölkerungsgruppen bewußt gegeneinander aufgebracht.

  • A
    Applaus!

    Vollpfosten, die das GG mit den Füssen treten

     

    Grundgesetz Artikel 3 Absatz 3:

     

    Artikel 3

    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

    (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der

    Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

    (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. (...)

  • T
    Teilnehmer

    Der Bund hat im Übrigen, während Rot-Rot in Berlin noch am Vorbereiten war, schnell selbst eine Verordnung zur Definition des Migrationshintergrundes erlassen (MigHEV). Dort ist der MigrH anders definiert. Ob da die Berliner Regelung überhaupt gültig ist oder schlicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wäre doch mal interessant zu klären

  • KA
    Kölle Alaaf

    "Der TGD-Chef kündigte an, dass sein Verband einen Entwurf für ein bundesweites Integrationsgesetz vorlegen werde. "

     

    Kenan Kolat, dieser Dünnbrettbohrer wird also bevollmächtigt deutsche Verwaltungen auf den Kopf zu stellen! Man fasst es nicht, wie unseriös ist das denn?! Dieser ferngestuerte Türkentümler und Großosmane, wie irre wird die Integration denn noch. Diese Art von Integration ist die Höchststrafe für unser Land! Zeugnisnoten werden seinen Sprösslingen schon hinterhergeworfen, lesen und schreiben wird oftmals nur rudimentär beherrscht und dann soll eine Quote in den Verwaltungen eingeführt werden? Eindeutiger gehts nicht: Deuschland schafft sich ab! NRW sollte die Finger davon lassen, ansonsten blüht die Korruption bis hin zum totalen Ruin!

     

    Es wäre hilfreicher für alle Beteiligten das Assoziationsgesetz von 1961 mit der Türkei rückabzuwickeln!!

  • M
    Mulmig

    Ich gebe zu, diese Gesetz macht mir Angst.

     

    Ich verstehe die Motivation, aber es ist trotzdem eine Ungleichbehandlung.

     

    Der ethnisch Deutsche muss vor dem Migranten zurücktreten.

     

    Wird das die Integration bringen oder Hass schüren?

     

    Ich weiß es nicht.

     

    Und immer wieder dieselbe Frage in meinem Kopf:

     

    Kann man auf Dauer gegen die Mehrheit anregieren, vor allem bei sinkendem Lebensstandard? Geht das oder ist es gegen die Naturgesetze?

     

    Ich weiß es nicht.

  • BL
    Belustigter Leser

    Eines ist mir bei der Integrationsdebatte aufgefallen: es geht nie um Demokratisierung.

     

    Die interkulturelle Öffnung soll einen neuen Nischen-Arbeitsmarkt schaffen für die muslimischen und ethnischen Identitäts-Intelligenz der grössten vom Staat ethnisch-markierten Menschengruppen. Man kann also vermuten, dass es um die Einbindung der "Eliten" bei in den Verwaltungsapparat geht.

     

    Das Ziel ist also die bessere Beziehungspflege mit den grössten als ethnisch markierten Bevölkerungsgruppen über die "Eliten".

     

    Es geht gar nicht darum, die ethnisch-markierten Bevölkerungsgruppen am politischen Willensbildungsprozess teilnehmen zu lassen.

     

    Kurt Wansner und Frank Henkel von der CDU fabulieren sich etwas zusammen von wegen Beleidigung der Migranten, weil die Qualifikationsanforderungen für die Migranten tiefer gehängt werden. Sie nehmen also an, dass nicht genug Wissen bei den migrantischen Bewerbern vorhanden sei für den Beruf. Man sollte untersuchen, welches Wissen an den Fachhochschulen und Universitäten an die Staatsdiener vermittelt wird. Ich wette mit ihnen das Fächer wie Urbanistik, Anthropologie, Ethnologie, Religion, Actor-Network Theory, Netzwerkforschung und institutioneller Rassismus keinen breiten Raum einnimmt.

     

    Lieber hantiert man mit dem Paradigma "Kultur verursacht Probleme". Auch ein Einser-Student kann mit einem Studium unter einem solchen Paradigma kein handlungsrelevantes Wissen erlangen.

  • G
    grafinger

    "Zudem müssen ... künftig Qualifikationen wie interkulturelle Kompetenz oder besondere Sprachkenntnisse berücksichtigt werden." (taz vom 10.01.11)

    Tja, Alke, im Entwurf steht aber nichts von Sprachkenntnissen und vom "müssen".

    Im §4 Abs 2 Satz 2 heißt es "Die interkulturelle Kompetenz soll ... grundsätzlich berücksichtigt werden."

    Lass Dir bitte von einem Juristen den Unterschied erläutern.

  • K
    Kati

    "...eine Bevorzugung der Migranten bei Bewerbungen sicherstellen, selbst wenn sie schlechter qualifiziert sein sollten als Bewerber ohne Migrationshintergrund".

    Damit ist alles gesagt. Was sagt dazu eigentlich das Antidiskriminierungsgesetzt? Hier wg Diekriminierung von Einheimischen?

  • RD
    Richard Detzer

    Wenn man Integrationsgesetze auch einmal an Deutschen ausprobieren würde, wäre das ein schöner Sport.

  • H
    Hatem

    Die von Kenan Kolat geforderte Quote ist nicht an der SPD gescheitert, sondern weil sie verfassungswidrig gewesen wäre. Aber fordern kann man ja erst mal.

     

    Das Gesetz ist kontraproduktiv, weil es die Stimmung gegen Migranten verschlechtern wird, nach dem Motto: Der/die hat den Job bestimmt nur wegen des Gesetzes bekommen.

     

    Und Migranten, die ihre Jobs ehrlich, aufgrund Eignung und Leistung bekommen haben, werden sich herzlich bedanken.