Migrantenwelten : Zwischen Zaun und Fangnetz
Nicht nur der Wählerzuwachs rechter Parteien macht Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) Sorgen, sondern auch der alltägliche Rasissmus. Darum übernahm sie die Schirmherrschaft über die Wanderausstellung „Erlebniswelten in Berlin“, die das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) initiierte und die bis zum 15. Oktober in ihrer Behörde in der Oranienstraße zu sehen ist. „Die Ausstellung setzt ein Zeichen gegen rechte Jugendkultur in unserer Gesellschaft“, sagt Kenan Kolat, Geschäftsführer des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB), des ADNB-Trägers, der dafür 5.000 Euro vom Senat erhält.
In den „Erlebniswelten“ haben sich 16 SchülerInnen der Otto-Nagel-Oberschule in Marzahn mit Rassismus auseinander gesetzt. Sie wählten sich vier Themenbereiche – „Erlebniswelten“ von Migranten – aus, um deren Diskriminierung zu zeigen. Sie besuchten die Ausländerbehörde am Nöldnerplatz, sprachen mit Flüchtlingen im Wohnheim Henningsdorf, befragten Ausländer am Hermannplatz und informierten sich über „Illegale“. „Die Schüler sollten ihre Erfahrungen wie Forscher dokumentieren“, erklärt Nuran Yigit vom ADNB die Idee der „Weltenreise“, die zum UN-Tag gegen Rassismus am 21. März stattfand.
Diese Idee spiegelt die Ausstellung wieder. Im Mittelpunkt stehen nicht die Fotos, die die Jugendlichen auf ihrer Forschungsreise geschossen haben, sondern die bewegenden Berichte vom Versuch, wie Asylsuchende mit Lebensmittelgutscheinen einkaufen, und von den Begegnungen in der Ausländerbehörde, die zwischen den Bildern hängen. Die Fotos dokumentieren hauptsächlich. Manchmal sprechen sie aber auch Bände: eine Flüchtlingsfrau mit dunkler Hautfarbe hinter einem Zaun, halb verdeckt von einem Schild, das dem Betrachter versichert, das trostlose Wohnheim werde von einem Sicherheitsdienst bewacht. Auch in der Ausländerbehörde ist man um das Leben der nicht deutschen Mitmenschen besorgt. Ein Foto zeigt das Fangnetz im Treppenhaus, das Selbstmorde verhindern soll. Gerade deshalb ist das Zitat unter einem Foto glaubwürdig, das einige Asylsuchende auf dem kahlen, umzäunten Hof des Heims in Henningsdorf zeigt: „Sie behandeln uns wie Tiere, wirklich.“ So wollen die Schüler nicht nur das immer noch verbreitete Vorurteil vom verhätschelten Asylbewerber ausräumen. Die Ausstellung solle auch für Diskriminierung sensibilisieren, hofft Yigit. Vivien Trommer und Melanie Klein, zwei der SchülerInnen, sind da optimistisch. Seit Jahren beschäftigen sie sich mit Integrationsproblemen an der Schule, unterstützt vom ADNB. „Der Erfolg ermutigt uns“, sagen beide. „Immer wieder kommen Mitschüler und berichten uns, dass sich Ausländer und Deutsche einer Klasse nach einem unserer Workshops besser verstehen.“ SKL